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Konkurrenzkampf um Niedrigstlöhne

Mittelamerika war einmal ein Paradies für Textil-Maquilas: Die hohe Arbeitslosigkeit schuf billige Arbeitskräfte, Gewerkschaften waren schwach. Jetzt ist der Boom vorbei. Es gibt günstigere Länder mit noch weniger Arbeitsschutz

SAN SALVADOR taz ■ Sie heißen Maquilas oder Maquiladoras – Mühlen – und gelten als „Fabriken für den Weltmarkt“. Es gibt sie schon viel länger, als über den Begriff „Globalisierung“ diskutiert wird. Die ersten entstanden bereits 1972, als der mexikanische Präsident Luis Echeverría in der Hauptstadt und in den Industriezentren Guadalajara und Monterrey sämtliche Restriktionen für ausländische Investoren aufhob. Das Land wurde damit für US-Kapital interessant: Die Gringos kamen, stellten Blechhallen auf und Nähmaschinen hinein. Sämtliche Rohstoffe wurden importiert, die gesamte Produktion wurde exportiert. Das Einzige, was die Unternehmen an Mexiko interessierte, waren die Löhne: Hier mussten sie nur einen Bruchteil dessen zahlen, was Textilarbeiterinnen jenseits des Rio Grande verdienen.

In Zentralamerika und in der Karibik dominieren taiwanesische und südkoreanische Textil-Unternehmen. Sie kamen Ende der Achtzigerjahre – weil in ihrer Heimat die Arbeiterbewegung stärker geworden war. Von 1987 bis 1990 hatte es in Südkorea 7.200 Streiks gegeben. Die Textilarbeiterinnen, die bis dahin kaum organisiert waren, erkämpften sich durchschnittliche Lohnerhöhungen von etwa 45 Prozent. In Taiwan hatten sie im Mai 1988 in der Freihandelszone Kaoshiung zum ersten Streik in der gesamten Geschichte des Landes aufgerufen.

Die Unternehmer waren so schockiert, dass jeder Dritte seinen Laden dichtmachte. Zentralamerika und die Karibik boten ihnen ein neues Paradies. Die hiesige Gewerkschaftsbewegung war in Jahrzehnten von Militärdiktaturen gebrochen worden. Die neuen formaldemokratischen Regierungen boten zoll- und steuerfreie Produktions- und Handelszonen an.

Dazu gab es eine Bevölkerung, die so arm ist, dass sie jede Arbeit annimmt. Und die Maquilas sind berüchtigt für extreme Ausbeutung. In vielen müssen sich die Frauen regelmäßigen Schwangerschaftstests unterziehen, sexuelle Übergriffe sind an der Tagesordnung. Trotzdem erscheint ihnen die Arbeit – selbst bei einem Monatslohn von 100 Dollar im Monat – immer noch attraktiv. Die reale Arbeitslosigkeit liegt in diesen Ländern durchweg bei über 50 Prozent. Für die Unternehmer bedeutet das: Aufmüpfige Arbeiterinnen können problemlos entlassen und durch neue ersetzt werden. Auf dem Papier vorhandene Arbeitsgesetze werden nicht kontrolliert. In El Salvador etwa bekommen 22,6 Prozent der Arbeiterinnen nicht den vorgeschriebenen Mindestlohn von 144 Dollar im Monat. Mehr als die Hälfte erhält kein Krankengeld, und ebenso viele arbeiten regelmäßig bis weit über die gesetzliche Höchstgrenze von 44 Stunden in der Woche hinaus.

Trotz solcher Bedingungen ist der Maquila-Boom in Mittelamerika zu Ende. Vordergründig wegen der Krise in den USA. Der dortige Markt schluckte 90 Prozent der Produktion. Nun bleiben die Aufträge aus. Im Mexiko haben bereits rund hundert Maquilas dichtgemacht, mehr als 200.000 Arbeitsplätze gingen verloren. Dazu kommen rund 50.000 Arbeiterinnen, die in den zentralamerikanischen Ländern entlassen wurden.

Das ist nicht nur ein vorübergehender Einbruch. Niemand rechnet damit, dass die Maquilas mit einem neuen Wachstumsschub in den USA zurückkehren. Es gibt inzwischen billigere Paradiese: China offeriert Produktionskosten, die bis zu 70 Prozent unter zentralamerikanischem Niveau liegen. Auch dort spielen die Rechte der Arbeiterinnen keine Rolle. Der längere Transportweg in die USA fällt da nicht ins Gewicht. Mittelamerika ist nicht konkurrenzfähig. TONI KEPPELER

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