: Ein Duell kommt selten allein
Und danach haben es alle Sekundanten schon immer besser gewusst: Die öffentlich-rechtliche Reprise von ARD und ZDF am8. September soll weniger steif und reglementiert, sondern viel provokativer werden. Dem Kanzler wär’s in jedem Falle recht
von STEFFEN GRIMBERG
Zum Schluss wurde Claus Leggewie dann wieder ganz versöhnlich: Das Fernsehen habe eben gemacht, was es kann, so der Medienforscher: eine Unterhaltungssendung. Eine eher langweilige zwar, aber dafür habe die doch „Menschen erreicht, die sonst nicht bei Politformaten“ einschalten.
Wirklich zufrieden waren die Experten der vom Adolf-Grimme-Institut initiierten „Kommission zu den Kanzlerdebatten“ natürlich nicht: „Da wird der bekannteste Liveregisseur Deutschlands engagiert und darf dann nur zwei Einstellungen zeigen“, lästerte Lutz Hachmeister, Juryvorsitzender des „Deutschen Fernsehpreises“.
Der so Bemitleidete hatte damit weniger Probleme: „Die optische Umsetzung ist ordentlich gelungen“, sagte Volker Weicker zur taz: Die jetzt als steril gescholtene Neutralität sei so gewollt – und auch die Regeln entsprachen dem Wunsch aller Beteiligten: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass man in Deutschland nach dem allerersten Mal alles schon wieder umlackiert.“ Schließlich habe es sich hier tatsächlich um eine Premiere gehandelt – und 15 Millionen Zuschauer seien eben nicht nur für die Sender ein Erfolg, sondern auch für die Wähler und die Politik, so Weicker. Sei’s drum: Grimme-Chef Bernd Gäbler verordnete als Konsequenz aus dem Duell dem deutschen Fernsehen für die nächsten vierzehn Tage einen „hoffentlich konstruktiven Lernprozess“.
Der setzte gestern prompt ein: Der Kanzler selbst verlangt für die öffentlich-rechtliche Reprise auf ARD und ZDF am 8. September eine flexiblere Handhabung der strengen Diskussionsregeln: „Ich wünschte mir etwas mehr Möglichkeit, direkt zu intervenieren“, sagte Gerhard Schröder der Agentur Reuters. Die Union sieht dagegen keinen Änderungsbedarf – schließlich kam die „aseptisch-wattierte“ Atmosphäre (Hachmeister) eher Edmund Stoiber zupass.
ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender verspricht für den zweiten Durchgang jedenfalls schon heute mehr Spontaneität. Dafür „müssen die Regeln nicht geändert werden“, sagte Brender gestern zur taz: „Sie finden doch auch sonst selten Interviews, wo mehr als viermal nachgefasst wird.“ Viel wichtiger ist für Brender, dass die beiden Moderatorinnen Sabine Christiansen und Maybritt Illner „sehr genau zuhören“ und dann „situationsbedingt provokativ oder investigativ“ nachfragen.
Während sich Brender sicher ist, dass schon dieser andere Fragestil für ein „dialogischeres Duell“ sorgt, herrscht bei der ARD noch Funkstille: „Das ist alles noch ein bisschen frisch“, hieß es vom Sitz der ARD-Chefredaktion in München. Man habe den „Job vernünftig gemacht“, wenn jetzt der Wunsch nach Veränderungen da sei, werde man sich dem natürlich nicht verschließen. Überhaupt: „Wenn, dann muss das alles im Konsens geschehen.“ Und Stars und Sternchen wie Till Schweiger, die RTL und Sat.1 zum VIP-Duellgucken in die Adlershofer Studios eingeladen hatten, kommen bei den Öffentlichen-Rechtlichen natürlich auch nicht auf die Gästeliste.
Das Grunddilemma, von Leggewie hübsch umrissen, also bleibt: „Unser Problem ist: Wir haben noch ein zweites Duell, wir können’s schlecht absagen.“
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