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Europas „Nein“ zeigt Wirkung

Die US-Regierung tut so, als könne sie die EU-Kritik an ihrer Irakpolitik gar nicht verstehen. Tatsächlich jedoch gerät sie auch im eigenen Land unter Druck

„Die USA zerstören ihre Allianzen. Es dominiert eine einfach gestrickte Außenpolitik.“

aus Washington MICHAEL STRECK

Die US-Regierung zeigt sich scheinbar unbeeindruckt. Nachdem die meisten europäischen Staaten in den letzten Wochen deutlich gemacht haben, dass sie einem Feldzug gegen den Irak zumindest skeptisch gegenüberstehen, hat US-Vizepräsident Dick Cheney jetzt unmissverständlich klargestellt, dass die USA einen Präventivschlag gegen den Irak für „unumgänglich“ halten. Mehr noch: Vor einer Versammlung von Kriegsveteranen ließ er die Welt wissen, dass man in Washington die Vorbehalte der Verbündeten für unlogisch hält.

Die Elite der USA reagiert bisher unterschiedlich auf die ablehnende Haltung der Europäer: aggressiv, irritiert, enttäuscht, aber auch aufgeschlossen. Je nach ideologischem Lager wird das europäische „Nein“ von Befürwortern und Gegnern eines Irakkriegs instrumentalisiert. Die US-Regierung, die sich bisher wenig um die Sorgen der Verbündeten scherte, muss nun erfahren, dass sie die Gefolgschaft verweigern.

Besonders enttäuscht scheint man über die störrischen Deutschen zu sein. Jahrzehntelang hätten sie von der Schutzmacht Amerika profitiert. Nun könnten sie sich etwas dankbarer erweisen, meinen konservative Meinungsmacher. Ginge es mal wirklich ans Eingemachte, bekämen sie weiche Knie. Diese Einstellung sei zwar nicht weit verbreitet, sagt Cathleen Fisher vom American Institute for Contemporary German Studies. Dennoch diene sie dazu, Europa als schwach und nicht bündnisfähig darzustellen. Vor Cheney nutzte bereits der texanische Republikaner Tom DeLay eine Rede zu einem Frontalangriff gegen die Europäer, indem er deren Haltung als realitätsfern diskreditierte.

Dennoch ist es dem Weißen Haus nicht egal, was in Berlin gesagt wird. Natürlich weiß man, dass die Bundeswehr nicht die militärischen Kapazitäten hat, sich an einem neuen Feldzug zu beteiligen. Die Amerikaner wüssten aber um das starke politische Gewicht Deutschlands innerhalb der EU, sagt Fisher. „Das deutsche Nein“ sei somit „fast ein europäisches.“ Einmal mehr attestierten die USA den Europäern mangelnde globale Verantwortung. Europa schaue wie immer auf sich selbst.

Doch Fisher kritisiert auch die eigene Regierung: So werde außer Acht gelassen, dass Großbritannien und Deutschland mehrere Peacekeeping-Missionen absichern. Man müsste den Europäern das Gefühl geben, dass eine militärische Intervention ohne nachfolgende Friedenssicherung und Wiederaufbau nicht wirksam sei. Zudem seien die Amerikaner in ihrer ambivalenten Haltung gegenüber der EU gefangen. Lange Zeit habe man sich einen starken, selbstbewussten und geeinigten Partner gewünscht. Nun, da sich dieser tatsächlich zeige, blicke man misstrauisch auf die „Alte Welt“.

Der 11. September hat in den Köpfen jener Politiker, die schon immer für amerikanische Alleingänge plädierten, alte Ängste und Feindseligkeiten verstärkt. Ihnen erscheinen die Europäer gegenüber dem irakischen Diktator zu arglos. Die EU könnte eine Brücke bauen, glaubt Fisher, indem sie deutlich mache, dass auch ihr nicht daran gelegen sei, Saddam Hussein in den Besitz von Massenvernichtungswaffen gelangen zu lassen. Zugleich müsse man aber auch konstruktiv Wege aufzeigen, wie dies verhindert werden kann.

Hinter der Debatte über einen Angriff auf den Irak verbirgt sich ein fundamentaler Streit innerhalb der politischen US-Elite einerseits und der EU andererseits. Dabei geht es um die Bedeutung internationaler Partnerschaft. Während Europa klar auf multilaterale Vereinbarungen setzt, isoliert sich Amerika unter der Bush-Regierung zunehmend und entfremdet sich nicht nur von Europa, sondern auch von sich selbst. Schließlich waren es die USA, die nach dem Zweiten Weltkrieg das System der UNO aus der Taufe hoben. „Die USA zerstören gegenwärtig ihre Allianzen. Es dominiert Unilateralismus, Triumphalismus und eine einfach gestrickte Außenpolitik“, sagt Leon Fuerth, Ex-Sicherheitsberater von Al Gore. Es werde eine Weltordnung angestrebt, die allein US-Interessen diene und ein langfristiges US-Engagement bei Militäreinsätzen oder dem „Nation Building“ vermeide.

Doch selbst eingefleischten Republikanern geht die Isolationspolitik des Präsidenten allmählich zu weit. Seit Tagen hat man den Eindruck, dass die Kritiker der Alleingang-Politik Oberhand gewinnen; der Rückenwind aus Europa kommt ihnen dabei nicht ungelegen. Das Weiße Haus ist in der Defensive. Auch ein Grund, warum sich Cheney nun zum Gegenangriff entschloss. Politische Beobachter halten es nicht für unmöglich, dass der konstante Druck aus Übersee und eine einheitliche europäische Haltung einen Richtungswechsel der amerikanischen Irakpolitik bewirken könnten.

Die Europäer können dabei auf die US-Öffentlichkeit setzen. Anders als ihre Politiker lehnt nämlich eine Mehrheit der Amerikaner ein unilaterales Verhalten ab. Laut einer Studie des Meinungsforschers Clay Ramsey von der University of Maryland sollten die USA nicht ohne Alliierte gegen den Irak vorgehen. Die Bevölkerung sei zudem über die skeptischen Töne aus Europa nicht verwundert, da sie ihre eigene Zurückhaltung nur unterstreichen würden.

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