: Senat scheitert am Steinbeißer
Verwaltungsgericht: Bremer Senat handelte rechtswidrig, als er das Vorkommen schützenswerter Arten nach der FFH-Richtlinie der EU nicht meldete. Während die Naturschützer kein Klagerecht haben, gingen Bauern mit Erfolg vor Gericht
Das Bremer Verwaltungsgericht hat gestern ein Urteil in Sachen „Flora-Fauna-Habitat“ (FFH) veröffentlicht. Danach hat der Senat, als er Bremer Feuchtgebiete bei der EU gemeldet hat, „rechtswidrig“ einzelne Flächen aus der Liste herausgestrichen, die die fachlich zuständige Bremer Naturschutzbehörde vorgelegt hatte: Sowohl für das Hollerland wie Gebiete im Blockland und in Niedervieland wollte der Senat die Option offen halten, Gewerbe anzusiedeln. Damit, so das Verwaltungsgericht, habe der Senat „eine fehlerhafte Ermessensausübung“ vorgenommen, daher sei eine „solche Entscheidung generell rechtswidrig“.
Ironie der Geschichte: Vier Bauern hatten als Betroffene das Gericht gegen die FFH-Meldung angerufen. Die Verbände der Umweltschützer, die die lückenhafte Anmeldung des Bremer Senats immer kritisiert hatten, haben kein Klagerecht. Zweite Ironie: Die Klage der Bauern richtete sich gegen den Bremer Senat, der vor Gericht vertreten wurde durch eine Rechtsexpertin des Umweltressorts, das bis heute die Bremer Meldung als unvollständig kritisiert. Umweltsenatorin Christine Wischer (SPD) hatte sich bei der Abstimmung im Senat enthalten, als ihr fachlicher Rat ignoriert wurde.
Im Juni 2002 gab ihr das zweite „Atlantische Seminar“ der EU-Kommission Recht, als es die deutsche Meldung mit deutlichem Hinweis auch auf die Bremer Versäumnisse insgesamt als defizitär kritisierte (vgl. taz 17.6.). Aber der Streit ist fest gefahren. So hat sich beispielsweise Bürgermeister Henning Scherf (SPD) kürzlich noch bei der Verabschiedung des langjährigen Rektors der Universität, Prof. Jürgen Timm, den Scherz geleistet, einige Bremer Sozialdemokraten müssten noch überzeugt werden, dass Arbeitsplätze wichtiger seien als „Schlammpeitzger“.
Vor allem der Steinbeißer stand im Zentrum der Verhandlung des Gerichtes. Die Landwirte aus dem Blockland wollten sich gegen geschützte Lebensräume des Steinbeißers im Sinne der FFH-Richtlinie wehren. Von der Meldung als Vogelschutzgebiet seien die Bauern nicht belastet, entschied das Gericht, bei der Meldung als FFH-Schutzgebiet aber sei dies doch der Fall, „weil sie dazu führen kann, dass die Landwirtschaft im Blockland zum Schutze der Steinbeißer in den Gräben durch härtere Auflagen gezwungen wird, schonender zu arbeiten.“
Bremen habe „erkennbar nach wirtschaftspolitischen Kriterien entschieden“, fasst die Pressemitteilung des Gerichts die Entscheidungsgründe zusammen. Diese Ermessensentscheidung sei aber der Kommission vorbehalten. Die klagenden Bauern hätten so Auflagen zu befürchten, die möglicherweise nicht angestanden hätten, wenn der EU auch andere Gebiete gemeldet worden wären.
Die klagenden Bauern können sich jetzt auf die festgestellte Rechtswidrigkeit der Meldung ihrer Flächen berufen, falls das Land Bremen ihnen irgendwann konkrete Auflagen machen will. Bremen könnte aber auch der Aufforderung der EU nachkommen, Flächen nachzumelden. Das Verwaltungsgericht hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Falles auch den Klageweg in die zweite Instanz, dem Oberverwaltungsgericht, zugelassen. K.W.
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