: Große Worte, kleines Büro
Lidokino (1): Moritz de Hadeln möchte mit Tom Hanks wieder mehr Glamour nach Venedig holen
von CRISTINA NORD
Bevor die Filmbiennale heute Abend mit Julie Taymors Biopic „Frida“ über das Leben der mexikanischen Künstlerin Frida Kahlo eröffnen wird, hat sie schon einiges an Kontroverse und verbalem Rowdytum erlebt. Und das, obwohl der größte Rowdy glücklich hätte schweigen sollen. Denn nachdem Moritz de Hadeln gegen seinen Willen die Leitung der Berlinale abgegeben hatte, war es das Beste, was ihm und seiner Karriere im internationalen Filmbusiness zustoßen konnte, als er überraschend und – wie böse Zungen gern behaupten – unverdient im Frühjahr zum Interimsdirektor der Filmbiennale berufen wurde.
Trotzdem ist er’s nicht zufrieden: Im Corriere della Sera klagte er, dass der Goldene Löwe, die höchste Auszeichnung des Festivals, nichts mehr wert sei, weil sein Vorgänger Alberto Barbera zu viel Esoterik und zu viele Produktionen aus der Dritten Welt in den Wettbewerb geholt habe (siehe taz von gestern). Schlimmer noch: „Für den Direktor gibt es ein winziges Büro mit einem Ikea-Tisch“, schimpfte de Hadeln in der Neuen Zürcher Zeitung. Wer die Statur de Hadelns aus Berliner Tagen in Erinnerung hat, ahnt, dass das nicht gut gehen kann. Zumal das winzige Büro mit einem Mangel an Infrastruktur einhergehe: „Hier ist immer nur improvisiert worden.“
De Hadelns Gegenmittel ist so schlicht wie zu Berlinale-Zeiten: so viele Stars wie möglich, mehr Kommerz, weniger Kunst. „Wir haben in Berlin erlebt, wie es mit dem Festival aufwärts ging, als der Filmmarkt zu funktionieren begann“, sagte er der Neuen Zürcher. Dem Direktor der Gesamt-Biennale, Franco Bernabè, dürfte das gefallen: Er hatte sich, bevor er im vergangenen Dezember von Kulturminister Giuliano Urbani ernannt wurde, als Chef der Telecom Italia und als Privatisierer des Energiekonzerns ENI hervorgetan.
Die italienische Linke war weder auf Bernabè noch auf de Hadeln gut zu sprechen und ist es jetzt, was Wunder, noch weniger. Il manifesto bezichtigte den Schweizer de Hadeln des „teutonischen Starsinns“ und schrieb außerdem: „Vom Forum abgesehen, genoss Berlin vor ihm mehr Ansehen, und Locarno gewann an Reputation, nachdem er gegangen war.“ Nicht ohne Häme war der Liste der Stars, die ihr Kommen angekündigt haben (unter anderem Lauren Bacall, Salma Hayek, Tom Hanks etc.), eine Liste derer beigefügt, die Venedig fernbleiben: „Clint Eastwood, Nicole Kidman, Julia Roberts …“
Dass die Stars tatsächlich auf dem Weg über den Atlantik sind, merkte man in den letzten Tagen unter anderem an der gesteigerten Nervosität hiesiger Film-PR-Agenturen. Wer aus Hollywood nach Europa kommt, macht nicht nur in Venedig Halt, sondern auch schon mal in Köln oder München. Deswegen häufen sich für die Filmberichterstatter die Interviewtermine – so sie denn das Glück haben, einen dieser so genannten slots zu ergattern.
Die „slots“ gibt es zu 10, zu 20, manchmal zu 25 und seltener zu 30 Minuten. Für Vertreter auflagenstarker Magazine „face to face“, im Zweiergespräch, sonst in Gruppen: Sechs Journalisten treffen einen Hollywoodstar – wie viele Fragen bringen sie unter? Unter journalistischen Gesichtspunkten ist das nicht befriedigend, wenn auch nicht ganz so anrüchig, wie es das englische Wort, das übersetzt Schlitz heißt und außerdem ein wenig wie „slut“ klingt, nahe legt.
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