Atomstrom? Ja, bitte. Künast? Nein, danke

Jens Spahn (22) hat gute Chancen, jüngster Abgeordneter zu werden. In die CDU ging er aus Protest gegen linke Lehrer

Die Schwachen will er „vor den Faulen schützen“, den „Menschen in diesem Land etwas zutrauen“ und für „christliche Werte eintreten“. Vor allem aber will Jens Spahn trotz altkluger Sprüche jung sein – und mit 22 Jahren jüngster Bundestagsabgeordneter aller Zeiten werden.

Die Chancen stehen für den CDU-Politiker nicht schlecht, als Direktkandidat im nordrhein-westfälischen Wahlkreis Borken I/Steinfurt I ins Parlament einzuziehen. Falls es gelingt, würde er sogar den derzeitigen Parlamentsbenjamin Carsten Schneider von der SPD unterbieten. Der war 22 Jahre und 9 Monate alt, als er 1998 in den Bundestag einzog. Wenn es bei Spahn klappt, wird er am 22. September genau 22 Jahre, vier Monate und sechs Tage jung sein – neuer Rekord.

Nach einer Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung, die seine Chancen nach dem Neuzuschnitt der Wahlkreise aus früheren Ergebnissen in seinem Gebiet hochgerechnet hat, kann Spahn auf einen Vorsprung von 2,1 Prozent der Erststimmen bauen – eine Absicherung über die Landesliste fehlt ihm jedoch.

Spahn ist Jugendleiter der „Katholischen Gemeinde Ahaus“, Kreisvorsitzender des „Bundes der Deutschen Katholischen Jugend Borken“ – und redet bereits wie ein gestandener Konservativer. Paragraph 218? Nein, danke. Es werde „definitiv zu viel abgetrieben“, so dass die Gefahr eines „Dammbruchs“ in der Abtreibungsdebatte bestehe, meint Spahn. Renate Künasts Agrarwende? Nein, danke. Es habe auch schon vorher Produkte von hoher Qualität gegeben und kleine Landwirtschaftsbetriebe hätten keine Chance, international mitzuspielen.

So will der Jungpolitiker weiter für die „Interessen des ländlichen Raumes“ und die „Münsterländische Parklandschaft“ kämpfen. Kernenergie? Ja, bitte. Obwohl sein Heimatort Ahaus ganz in der Nähe des Zwischenlagers liegt, will er die Atommeiler nicht vom Netz nehmen.

Aprospos Ahaus: Rote Lehrer haben den schwarzen Bundestagsnovizen in die Politik getrieben. Weil sie ihn immer fragten, ob er denn auch bei den Demonstrationen gegen das Zwischenlager Ahaus gewesen sei, trat Spahn aus Protest in den Kreisverband der „Jungen Union“ Borken ein. Damals war er 15. Vier Jahre später war er dort der Boss und saß bald nicht nur im Pfarrgemeinderat, sondern auch im Stadtrat.

Trotzdem rühmt er sich, „nicht so ideologiebelastet“ zu sein. Auf kommunaler Ebene hat er auch schon mal mit den Grünen zusammenarbeitet, obwohl dies „früher Gift in den Augen vieler CDU-Politiker“ war. Bei seinem regelmäßigen Stammtischtreffen, an dem es auch mal „deftiger und derber“ zugehe, ist jeder willkommen. „Liberal“ nennt er das. Mehr fällt ihm jedoch auch auf Nachfragen zum Thema „liberal“ nicht ein – außer dass die brandenburgische Bundestagsabgeordnete Katherina Reiche bestimmt eine kompetente Familienministerin wäre. Im Bundestag, glaubt er, werde er dennoch „keine Berührungsängste“ mit den jungen Abgeordneten anderer Parteien haben.

Falls Spahn im Herbst unter der Reichstagskuppel Platz nehmen darf, möchte der gelernte Bankkaufmann gern Mitglied im Wirtschaftsausschuss werden. Nach oben scheinen die Ziele offen zu sein. Seine ehemaligen Schulkameraden verieten in der Abizeitung schon mal sein heimliches Berufsziel: Bundeskanzler.

FLORIAN LAUS