: „Schwerer Standortnachteil für den Osten“
Brandenburgs Sozialminister Baaske (SPD) fordert Edmund Stoiber auf, seine Klage gegen den Finanzausgleich der Kassen zurückzuziehen
taz: Herr Baaske, Sie fordern gemeinsam mit anderen SPD-Politikern, dass Edmund Stoiber seine Verfassungsklage gegen den Risikostrukturausgleich der Krankenkassen zurückzieht. Ist das nicht reiner Wahlkampf?
Günter Baaske: Nein. Hier geht es um existenzielle Interessen Ostdeutschlands. Würden die Krankenkassenbeiträge im Osten stark ansteigen, träfe das über den Arbeitgeberanteil auch die ostdeutsche Wirtschaft und das wäre ein schwerer Standortnachteil.
Demnach versucht Stoiber also, den Osten kaputtzumachen. Klingt doch sehr nach Wahlkampf, oder?
Die Forderung nach Rücknahme der Klage richtet sich nicht an Stoiber persönlich, sondern an die drei klagenden Länder Bayern, Baden-Württemberg und Hessen. Auf der anderen Seite wird der Strukturausgleich von den fünf Ost-Ländern gemeinsam verteidigt – federführend ist das CDU-regierte Sachsen.
Wie hoch würden die Kassenbeiträge denn bei einem Erfolg der Verfassungsklage steigen?
Ohne Risikoausgleich müsste zum Beispiel die AOK Brandenburg 22,5 Prozent verlangen. Das wäre eine Katastrophe.
Die Klage wendet sich nur gegen den Ausgleich zwischen Kassen verschiedener Länder. Würde nicht ein Ausgleich unter den diversen brandenburgischen Krankenkassen genügen?
Auch dann wäre der Osten gegenüber dem Westen noch benachteiligt. Die gesetzlichen Krankenkassen im Osten haben nun mal wegen der Arbeitslosigkeit und des niedrigeren Lohnniveaus weniger Einnahmen. Zugleich sind aber fast alle medizinischen Ausgaben, außer den Personalkosten, gleich hoch.
Stoiber hat inzwischen angekündigt, dass nach einer Reform in seinem Sinne die Beiträge im Osten nicht höher liegen sollen als im Westen.
Aber er hat nicht gesagt, wie er das ohne Risikoausgleich machen will.
Die AOK Sachsen hat ihre Beiträge im April auf 12,9 Prozent gesenkt. Sie liegen damit niedriger als die Beiträge vieler Geberkassen. Ist das akzeptabel?
Nein. Man muss sicherstellen, dass Gelder aus dem Risikoausgleich nicht zu Dumpingbeiträgen führen. Aber die AOK Sachsen ist ein Sonderfall, der nicht den ganzen Strukturausgleich verfassungswidrig macht.
Sie rechnen also nicht damit, dass die Klage von Bayern und Co. in Karlsruhe Erfolg haben könnte?
Nein, sie wird eine Blamage werden, wie schon die Klage derselben Länder gegen den Länderfinanzausgleich.
Dann könnten Sie den Ausgang des Verfahrens ruhig abwarten. Warum fordern Sie den Rückzug der Klage?
Weil die Menschen in den neuen Ländern nicht weiter verunsichert werden sollten. Wir haben mit der Flutkatastrophe schon genug Sorgen. Die Rücknahme der Klage wäre zumindest ein psychologisches Zeichen der Solidarität.
INTERVIEW: CHRISTIAN RATH
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