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Schwarz-Schills Senats-Knigge

Hamburgs Rechts-Koalition schließt Burgfrieden: Rechtspopulist will sich künftig benehmen. SPD und Grüne attestieren Regierungschef Ole von Beust Führungsschwäche und wollen heute in der Bürgerschaft Ronald Schills Entlassung durchsetzen

von PETER AHRENSund SVEN-MICHAEL VEIT

Der Gescholtene war ungewöhnlich still. Er habe der Erklärung des Ersten Bürgermeisters nichts hinzuzufügen, war das Einzige, was Ronald Schill gestern zu entlocken war. Nachdem Bürgermeister Ole von Beust (CDU) vor der Presse den Koalitionsstreit um Schills Bundestagsauftritt für beendet erklärt hatte, tauchte sein Stellvertreter ab. Und beherzigte damit den dringlichen Wunsch aus den Reihen der CDU-Fraktion, die Schill am Montagabend in ihrer Sitzung nahe gelegt hatte, nicht mehr öffentlich Stellung zu nehmen.

Zuvor im Senat hatte Schill nach von Beusts Angabe „die durch seine Bundestagsrede entstandene Situation“ bedauert, jedoch nichts von seinem Auftritt selbst zurück genommen. Durch seinen Verzicht auf die Klage gegen das Bundestagspräsidium ist aber offiziell der Burgfriede wieder hergestellt. Der Bürgermeister machte aber klar, dass bei einem weiteren Verstoß gegen den gestern beschlossenen Senats-Knigge (siehe Kasten) „Schluss mit lustig“ sei: „Wer sich noch einmal so etwas erlaubt, gehört nicht mehr dem Senat an.“ Zwei Stunden habe man im Senat über dieses Thema gesprochen, es sei „hart zur Sache gegangen“, wollte von Beust der Presse glauben machen.

Dass Schill mit seiner Rede bewiesen habe, dass ihm die vom Bürgermeister gestern beschworenen Werte Toleranz und Weltoffenheit nicht viel gelten, wollte von Beust nicht unterschreiben: „Eine 15-minütige Rede ist für mich kein Beleg für grundsätzliche Haltungen“, sagte er. Auch dass erstmals ein Senatsmitglied schriftlich zur Disziplin gezwungen werden muss, lässt den Bürgermeister unbeeindruckt. Bei einer Entlassung Schills, so von Beust, wäre „die Gefahr sehr groß gewesen, dass die Koalition bricht“. Ob das Resultat „ein Sieg auf ganzer Linie“ für von Beust gewesen sei, ließ er offen: „Es geht hier nicht um Sieger und Besiegte.“

Von einem Sieg des Bürgermeisters über seinen Vize könne in der Tat keine Rede sein, höhnte SPD-Parteichef Olaf Scholz, und auch „nicht von Führungsstärke“. Er prophezeite, dass Schill auch künftig von Beust „auf der Nase herumtanzen“ werde. Die Änderung der Geschäftsordnung des Senats solle lediglich „kaschieren“, dass Schill weiterhin „als Parteichef die Sau durchs Dorf treiben“ dürfe. Der Bürgermeister sei „vor Schill eingeknickt“, so Scholz.

SPD-Fraktionschef Uwe Grund findet, von Beust habe „Schill nicht im Griff“. Dieser habe Hamburg „mit einer Hetzrede“ im Bundestag „schwer geschadet – und der Bürgermeister nimmt ihn dafür auch noch in Schutz“, kommentierte der Oppositionsführer, der heute in der Bürgerschaft seinen Antrag auf Entlassung des Innensenators kämpferisch begründen will und muss.

Das gilt auch für GALierin Krista Sager, deren Fraktion ebenfalls Schills Rauswurf fordert. Nach ihrer Ansicht habe von Beust nur dreierlei offenbart: „seinen Willen zum Machterhalt um jeden Preis, politische Führungsschwäche und seine Abhängigkeit von Schill.“

Harsche Kritik an von Beust und am FDP-Senator Rudolf Lange übten gestern auch die Bundesgrünen. Parteichefin Claudia Roth forderte das sofortige Ende der Hamburger Rechtskoalition. „Während sich die Bundesspitzen von Union und FDP in verbaler Kritik an Schill ergehen, schmiegen sich die Herren von Beust und Lange weiterhin an Schills Brust, als sei nichts geschehen“, sagte Roth. Es sei „empörend, mit welcher Abgebrühtheit CDU und FDP in Hamburg die unsäglichen Entgleisungen Schills im Deutschen Bundestag akzeptieren“.

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