piwik no script img

Palästinakonflikt im Untergrund

Die Jüdische Gemeinde wollte Fotos von jungen israelischen Terroropfern in U-Bahnhöfen plakatieren. Die BVG lehnt jedoch das ab. Sie befürchtet, dass das Motiv Gewalt provoziere. Integrationsbeauftragte: Richtige Entscheidung

Ginge es nach dem Willen der Jüdischen Gemeinde, würde in 50 U-Bahnhöfen seit Sonntag ein Plakat hängen. Es zeigt Gesichter von jungen Israelis, die Selbstmordanschlägen und anderen Terrorakten von Palästinensern zum Opfer gefallen sind. Dazwischen steht ein einziger Satz: „Was, wenn es Ihr Kind wäre?“

Die BVG hat es den zehntägigen Aushang jedoch abgelehnt. Am Anzeigenpreis von 25.000 Euro scheiterte es nicht. Den hätte die Jüdische Gemeinde getragen. Es sei zu befürchten, dass das Plakat Gewalt provoziere, begründete BVG-Sprecher Wolfgang Göbel die Ablehung, die schon im Juli ergangen ist. Das Plakat berge eine gewisse Brisanz. „Es ist nicht unsere Aufgabe, Dinge zu publizieren, die uns in Schwierigkeiten bringen könnten.“ Durch das Plakat könnten sich Palästinenser aufgestachelt fühlen und ihren Zorn an Inventar und Fahrzeugen der BVG auslassen.

„Wir bedauern die Entscheidung sehr“, sagte der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Alexander Brenner. Mit der emotionalen Plakataktion habe die Gemeinde bewusst ein Gegenstück zur „einseitigen“ Mediendarstellung bezüglich des Konflikts im Nahen Osten setzen und das Berliner Publikum „aufrütteln“ wollen. Er könne verstehen, dass sich die BVG um Personal und Inventar sorge, meinte Gemeinde-Vorstandsmitglied Moishe Waks. Die BVG mache es sich aber zu leicht. „Terroranschlag bleibt Terroranschlag“, so Waks. „Dass man auf Leute Rücksicht nicht, die diese Anschläge gutheißen, finden wir sehr bedauerlich.“

Senatssprecher Michael Donnermeyer sagte dagegen, die BVG habe sich die Entscheidung keineswegs leicht gemacht. „Aber vielleicht“, so Donnermeyer nach der gestrigen Senatssitzung, „überlegt man es sich bei der BVG noch einmal.“ Schließlich enthalte das Plakat keinerlei aggressiven Ton.

Die Integrations- und Migrationsbeauftragte des Senats, Barbara John, hält das Plakat von seinem Inhalt her für mehr als berechtigt. „Wir können uns nicht oft genug die Frage stellen: Was, wenn es unsere Kinder wären.“ Dennoch sei es richtig gewesen, das Plakat nicht auszustellen, weil das mit „großer Wahrscheinlichkeit“ zu neuen Gewalttaten führen würde.

Ohne Wenn und Aber begrüßte der Vorsitzende der Palästinenischen Gemeinde, Ahmad Seoud die Entscheidung der BVG. Das Plakat sei „eine Provokation“ für seine Landsleute. „Der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern sollte nicht in Deutschland ausgetragen werden.“

Wenn in Berlin jemand provoziere, dann seien es die Palästinenser, konterte der Chef der Jüdischen Gemeinde, Brenner, mit Verweis auf den palästinensischen Vater, der seine Kinder bei einer Anti-Israel-Demonstration mit Sprengstoffattrappen ausstaffiert hatte. PLUTONIA PLARRE

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen