: Neuer Kunstsinn
Hoffen und quietschen: Chris Cacavas, Liebling nicht nur bei Country-Rock-Spezialisten, zu Gast in der Schilleroper
1989 veröffentlichte der Kalifornier Chris Cacavas sein erstes Soloalbum. Da hatte er freilich schon eine vollwertige Karriere hinter sich: als Organist bei den Country-Rockern Green on Red. Seitdem erschienen im Abstand von zwei, drei Jahren regelmäßig neue Alben – aber selbst bei potentiell Interessierten haben es wenige gemerkt. Immerhin: Das kleine Bonner Normal-Label sorgt inzwischen dafür, daß Cacavas‘ Alben in Deutschland erscheinen können.
War Chris Cacavas in den vergangenen Jahren vor allem ein Geheimtipp für Gitarrenmusik-Fachsimpler, für Neofolk-Freunde und Alternative-Country- und Amerikana-Nerds, so könnte er mit seinem neuen Album Bumbling Home from the Star mehr Erfolg haben. Das Gitarrenflirren der frühen Jahre mit seiner Band Junkyard Love hatte Cacavas schon seit seinem – je nach Zählweise – (vor-) letzten Album Anonymous auf ein nettes Maß reduziert, stattdessen pflegt der Gitarrist und Sänger jetzt zeitlose, melancholische Pop-Eleganz. Bands wie Mercury Rev sind in Hörweite, molltrunkene Klangmalereien perlen Cacavas vom Griffbrett, wie etwa bei „California (Into the Ocean)“, dem vielleicht schönsten Lied des neuen Albums.
Gitarrenverzerrungen aus der alten Neil Young-Schule gibt es auch heute noch zu hören, doch bilden sie oft nur das Hintergrundrauschen, vor dem Cacavas sein feinsinniges Spiel ausbreitet. Doch manchmal, so scheint es, kann er einfach nicht anders: „On My Back“ etwa ist ein kurzer, drängender Sixties-Rock-Kracher, der genauso schnell aufhört, wie er begonnen hat. Ansonsten herrscht oft eine geistvolle Stimmung in diesen Liedern, eine Kunstsinnigkeit, für die aber auch Cacavas‘ neuer Produzent Craig Schumacher verantwortlich sein könnte, der seit längerem mit Bands wie Giant Sand, Calexico oder den Friends of Dean Martinez an einem ähnlichen Klangbild arbeitet.
Was ein Cacavas-Konzert vor allzu feinnervigen Allüren rettet ist meistens die Hauptperson selbst. Chris Cacavas ist ein Könner, doch weiß er, wann es zuviel wird. Dann streut er zwei, drei unsauber gespielte Akkorde ein – und dreht kräftig am Lautstärkeregler seiner Gitarre. Und meistens kommt Chris Cacavas dann nach ein paar Liedern wieder da an, wo er in den Achtzigern mit Green on Red schon mal aufgebrochen ist: Dann kniet er auf der Bühne vor seinem Verstärker – und hofft auf das Quietschen der Gitarrenrock-Rückkopplungen. Manchmal fällt er aber auch runter von der Bühne mit dem Verstärker. Und eigentlich weiß man bei Chris Cacavas nie so genau, wie der Abend endet.
Marc Peschke
mit Red (Missouri): Montag, 21 Uhr, Schilleroper
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