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Der Trend geht zum Fernsehverbot

Neue Studie: Eltern verabreichen weniger Ohrfeigen als früher, dafür verbieten sie öfter mal die Lieblingssendung. Ein Viertel gibt an, den Kindern auch mal „kräftig den Po zu versohlen“ – aus Hilflosigkeit. Gut finden die Eltern es nämlich selbst nicht

von BARBARA DRIBBUSCH

Quizfrage: Warum ist das Fernsehen in der Erziehung so wichtig? Antwort: Weil man es verbieten kann. Dann nämlich, wenn Eltern Druck auf den Nachwuchs ausüben wollen. So etwa: „Räum dein Zimmer auf, sonst gibt’s kein ‚Gute-Zeiten-Schlechte-Zeiten‘!“ Oder: „So redest du nicht mit deiner Mutter! Zwei Tage kein Fernsehen!“

Das Fernsehverbot steht ganz oben auf der Liste der Bestrafungsmöglichkeiten, danach folgt der Bestrafungsklassiker: die leichte Ohrfeige. Dies ergab eine neue Studie, die gestern von Bundesfamilienministerin Christine Bergmann (SPD) vorgestellt wurde.

Es herrscht ein Trend zur „weicheren“ Erziehung, erklärte Bergmann, „immer mehr Eltern erziehen ihre Kinder gewaltfrei“. 60 Prozent der Eltern verabreichen aber immer noch leichte Ohrfeigen. Bei einer Vergleichsbefragung im Jahre 1996 waren dies 72 Prozent gewesen. 26 Prozent der Befragten gaben an, ihrem Nachwuchs auch mal „kräftig den Po zu versohlen“ (1996: 33 Prozent). 10 Prozent der Eltern erklärten, „schallende Ohrfeigen“ zu geben (1996: 20 Prozent).

Das Fernsehverbot wandten 75 Prozent an, das Ausgehverbot, früher Hausarrest genannt, wird von 60 Prozent der Eltern als Bestrafungsmittel genutzt.

Auch bei der seelischen Gewalt konnte die Ministerin gestern positiv bilanzieren: „Niederbrüllen“ als Erziehungsmittel nutzen nach eigenen Angaben 40 Prozent der Eltern (1996: 58 Prozent). Gleiches gilt für „Nicht mehr mit dem Kind reden“ (29 Prozent gegenüber 51 Prozent). Die Studie beruhte auf einer Befragung von 3.000 Eltern sowie 2.000 Kindern und Jugendlichen und knüpfte dabei an frühere Befragungen an.

Wer sein Kind schlägt, tut das oft nicht aus erzieherischer Überzeugung, sondern eher „aus einer Situation der Überforderung und Hilflosigkeit“, so Bergmann. Nur die Hälfte der Eltern erklärte, leichte Ohrfeigen seien vertretbar, und nur 13 Prozent hielten es für akzeptabel, dem Nachwuchs „den Po zu versohlen“. Offenbar gibt es also eine Kluft zwischen dem Alltag und den Überzeugungen der Eltern. Erziehung ist eben vor allem Nervensache.

Die Ministerin führte die positive Bilanz auf einen Wertewandel zurück, der auch durch das „Gesetz zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung“, das im November 2000 in Kraft getreten war, gefördert worden sei. Der entsprechende Paragraf im BGB schrieb vor, dass Kinder ein Recht auf „gewaltfreie Erziehung“ haben. Das neue Gesetz, das allerdings keine Sanktionsmöglichkeiten für ohrfeigende Eltern vorsieht, wurde von einer Aufklärungskampagne begleitet.

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