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Elbe wird nicht ausgebaut – vorerst

Bodewig stoppt Elbausbau, bis Hochwasserfragen geklärt sind. Umweltminister einigen sich auf Deichrückbau und Verzichtauf Bauen direkt am Fluss. Künast will, dass auch Landwirtschaft ihren Teil beiträgt. Subventionen sollen ökologisiert werden

von MATTHIAS SPITTMANN

Am sechsten Jahrestag der Elbe-Erklärung, die den Ausbau des Flusses beschränkte, darf das Gewässer hoffen: Bundesverkehrsminister Kurt Bodewig (SPD) hat den Ausbau der Elbe vorerst gestoppt und ist damit auf Zustimmung bei Umweltministern und -verbänden gestoßen. Die Ressortchefs der Elbe-Anrainer-Länder und Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) einigten sich am Mittwochabend bei einem Treffen in Berlin zudem auf Maßnahmen für einen besseren Hochwasserschutz.

Kurzfristig sollen zerstörte Wasserstandsmesser neu – und im Gegensatz zu früher hochwassersicher – wieder aufgebaut und Deiche instand gesetzt werden. Für besonders gefährdete Gebiete sollen mobile Schutzwände eingesetzt werden.

Ökologisch wichtig sind die anderen Bestandteile der Ministerübereinkunft: Wie Greenpeace und der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) vor Beginn der Konferenz gefordert hatten, sollen Deiche zurückverlegt und Überschwemmungsflächen geschaffen werden. BUND-Sprecher Rüdiger Rosenthal kritisierte, viele Kommunen erlaubten Bauten bis direkt an den Fluss heran und nähmen ihm so natürliche Ausgleichsflächen bei einem Hochwasser.

Auch die Umweltminister verlangten deshalb den Verzicht auf neue Bau- und Gewerbegebiete in Überschwemmungsgebieten. Bereits gebaute Siedlungen sollen aber bestehen bleiben. Um kleinere Orte sollen künftig Ringdeiche gebaut werden, statt dem Wasser großflächig natürliche Überschwemmungsgebiete zu nehmen. Ackerflächen, die wenig Regenwasser speichern können und vor Hochwasser durch Deiche geschützt werden müssen, sollen in Grünland umgewandelt werden, das einerseits mehr Niederschläge speichern, andererseits auch überflutet werden kann.

Der Ausbau der Elbe soll nach dem Willen der Umweltminister so lange unterbrochen werden, bis die Folgen für den Hochwasserschutz ausreichend bekannt sind. Doch Rosenthal verweist darauf, dass es nicht nur um den Hochwasserschutz gehe, sondern um ein Gesamtkonzept für eine naturnahe Elbe. Der Ausbau sei zudem auch wirtschaftlich unsinnig.

Heute beschäftigen sich in Bad Arolsen auch die Agrarminister der Länder mit dem Thema Hochwasserschutz. Bundesverbraucherministerin Renate Künast (Grüne) hat dafür eine Beschlussvorlage mitgebracht, die in die gleiche Kerbe schlägt wie der Beschluss der Umweltminister. Sie will dafür die Förderbedingungen auf EU-Ebene ändern. Mais etwa halte sehr viel weniger Wasser als Grünland. „Die Pflanze, die mit ihren kurzen Wurzeln die höchste Bodenerosion verursacht, wird hoch gefördert“, kritisierte Künast.

Doch all die gut gemeinten Vorschläge für mehr Hochwasserschutz stoßen auf Widerstand. Brandenburgs Landesregierung hält auch weiterhin am umstrittenen Ausbau der Havel fest, sagte Verkehrsstaatssekretär Clemens Appel gestern. Auch Sachsen-Anhalts Verkehrsminister Karl-Heinz Daehre (CDU) wandte sich gegen einen Ausbauverzicht. Der Deutsche Städtetag dagegen begrüßte das Ziel, in Überschwemmungsgebieten keine neuen Bau- und Gewerbegebiete auszuweisen. Jedoch hätten die Kommunen die Planungshoheit. Helfen kann nur eine Änderung des für die gesamte Bundesrepublik gültigen Baugesetzbuches.

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