Grobes Poltern, hin und her

In bisher nicht gekannter Schärfe kritisieren sich US- und deutsche Offizielle wegen der jeweiligen Haltung zum Irak. USA sehen Deutschland in der EU isoliert, Fischer betont Einklang mit den europäischen Partnern

BERLIN taz ■ Die Wortwahl ließ an Schärfe und Ironie kaum zu wünschen übrig: Natürlich genieße ein amerikanischer Botschafter Meinungsfreiheit, auch in Deutschland, ätzte Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye. Er reagierte damit auf ungewöhnlich undiplomatische Äußerungen des US-Boschafters Daniel Coats, der angesichts der erklärten Absicht des Kanzlers, unter seiner Führung werde sich Deutschland auch bei einem UN-Mandat nicht an einer Intervention im Irak beteiligen, „gewisse Zweifel an der Enge der Beziehung“ zu den USA geäußert hatte. Deutschland, so Coats, isoliere sich damit sogar innerhalb der Europäischen Union.

Das war am Mittwoch. Am Donnerstag legte der Bundeskanzler noch ein bisschen nach. In einem Interview der New York Times blieb Schröder in der Sache hart und forderte von den USA im Übrigen „echte Konsultationen“, nicht nur einen Anruf Bushs zwei Stunden vor dem Angriff mit der Ankündigung „Wir gehen rein“. Er antwortete damit indirekt auch dem Unions-Kanzlerkandidaten Edmund Stoiber, der, bei grundsätzlicher Gleichheit der Ansichten um Unterscheidung zum Kanzler bemüht, Schröder der Arroganz bezichtigte, weil der sich nicht selbst um ein Gespräch mit Bush bemühe.

Zwar ist die Diskussion über einen Kriegseinsatz gegen den Irak nicht die erste und beileibe nicht die einzige Frage, bei der die rot-grüne Bundesregierung und die Regierung Bush weit auseinander liegen. Weder in den bald zwei Jahren seit Bushs Amtsantritt noch in den fünfeinhalb Jahrzehnten seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges aber haben Deutsche und US-amerikanische Regierungsoffizielle so offene Kritik aneinander geübt.

So verwundert es nicht, dass sich auch Außenminister Joschka Fischer gestern zur Klarstellung genötigt sah: Keineswegs, so Fischer im dpa-Gespräch, ginge die Bundesregierung auf Konfrontationskurs zu den USA. Die USA seien „für Frieden und Stabilität der Welt unverzichtbar“ und außerhalb Europas der wichtigste Bündnispartner. In der Sache allerdings widersprach der Außenminister: Keineswegs sei Deutschland innerhalb der EU isoliert, vielmehr habe er beim EU-Außenministertreffen letzte Woche „sehr große Zustimmung gefunden“.

Tatsächlich sind es innerhalb der EU noch immer lediglich Großbritannien und Spanien, die eher zu den Unterstützern gerechnet werden können. Während die britische Regierung im Einklang mit den USA ankündigte, Beweise für die Existenz von Massenvernichtungswaffen in irakischer Hand vorlegen zu wollen, sagten die Regierungen Frankreichs und Deutschlands, ihnen lägen keinerlei Hinweise auf eine akute Bedrohung durch den Irak vor.

Und selbst die Türkei, sonst stets einer der US-hörigsten Verbündeten innerhalb der Nato, geht auf Distanz: Ein Angriff auf den Irak würde die gesamte Region ins Chaos stürzen, sagte Außenminister Sükrü Sina Gürel laut der Brüsseler Zeitung La Libre Belgique. Die US-Luftwaffenbasis Incirlik im Süden der an den Irak angrenzenden Türkei wäre für einen Angriff von strategischer Bedeutung.

Doch auch wenn die deutsche Regierung sich im Recht wähnen und die vorsichtige Kommunikationswende der Bush-Regierung durchaus als Erfolg der Skeptiker gewertet werden darf: In den nächsten Tagen dürfte in Berlin verbale Abrüstung auf der Tagesordnung stehen. Klare Worte können im Wahlkampf durchaus Punkte bringen, anhaltendes außenpolitisches Gepolter allerdings birgt Gefahren. Im Innern, wohlgemerkt: In Washington, wo die politische Klasse selbst mitten im Wahlkampf steht, kann Schröder durchaus mit Verständnis rechnen. Im Wahlkampf sagt man eben so manches. BERND PICKERT