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Von der Schule zur Werkstatt

Praktisch, haltbar, billig, schön und industriell herstellbar sollten die vom Bauhaus entworfenen Gegenstände sein, um „gleichgeartete Massenbedürfnisse einheitlich und gleichartig“ zu befriedigen. Ein Porträt der Design- und Architekturschule

von LARS KLAASSEN

Jeder Nachruf auf die klassische Moderne hat bislang das Gegenteil seiner Intention zur Folge gehabt und bewiesen, wie lebendig und prägend sie nach wie vor auf aktuelles Design und gegenwärtige Architektur wirkt. Schon seit langem legendär ist die Keimzelle dieser Moderne: Das Bauhaus steht mittlerweile als Synonym für den Stil, den es hervorbrachte. Doch seine nachhaltige Ausstrahlungskraft steht im Kontrast zu seiner kurzen Existenz, die schon lange Geschichte ist.

Diese beginnt 1919 mit der Formulierung einer Utopie: Der „Bau der Zukunft“ sollte alle Künste in idealer Einheit verbinden. Mit dieser Leitidee folgte Walter Gropius der Berufung nach Weimar, wo er nach seinem Amtsantritt als Leiter der Hochschule für bildende Kunst und der Kunstgewerbeschule das „Staatliche Bauhaus in Weimar“ aus der Taufe hob. Das Hauptziel seiner Neugründung war es, die Trennung zwischen freier und angewandter Kunst aufzuheben. Er wollte am Bauhaus einen neuen Typ des Künstlers erziehen, jenseits akademischer Spezialisierung. Die Voraussetzungen dafür sollten neue pädagogische Methoden und eine umfassende handwerkliche Ausbildung schaffen: „Die Schule soll allmählich in der Werkstatt aufgehen.“ Folglich arbeiteten am Weimarer Bauhaus Künstler und Handwerker gemeinsam in Lehre und Produktion.

Industrielle Fertigung

Doch mit der Symbiose von Handwerk und Kunst alleine war es nicht getan. Schon 1923 wurde das Programm des Bauhauses modifiziert. Der zentrale Leitsatz lautete von nun an: „Kunst und Technik – eine neue Einheit“. Die Potenziale industrieller Fertigung sollten genutzt werden. Die Ästhetik sollte dabei die Funktionalität der Alltagsgegenstände widerspiegeln: „form follows function“. In den Bauhauswerkstätten entstanden Vorbilder, die für die Massenproduktion bestimmt waren: von der Lampe bis zum Wohnhaus.

Veränderung ist in mehrerlei Hinsicht ein Charakteristikum in der Geschichte des Bauhauses. In den gerade einmal 14 Jahren seines Bestehens zwischen 1919 und 1933 war man zweimal zum Ortswechsel gezwungen. Nach dem Umzug von Weimar nach Dessau 1925, wo im Jahr darauf das von Gropius entworfene Schulgebäude – bis heute als das Bauhaus bekannt – eröffnet wurde, setzten die Nazis 1932 die Auflösung des ihnen verhassten Bauhauses durch. Die Schule wurde in Berlin-Steglitz als Privatinstitut fortgeführt, bis sie im April 1933 von der Polizei durchsucht und versiegelt wurde.

Um allen in die der Schule eigenen Grundsätze der Gestaltung von Gegenständen einzuführen, hat das Bauhaus eine besondere Vorlehre entwickelt. Dort wurde sowohl der Umgang mit Materialien geschult als auch die Eigenschaften von Farben und Formen eingehend erörtert. Dieser Vorkurs wurde von bekannten, am Bauhaus wirkenden Künstlern wie Paul Klee und Wassily Kandinsky unterrichtet.

Entwickelt hatte diese grundlegende Einführung Johannes Itten. Im Zentrum standen für ihn das Erkennen und Gestalten von Kontrasten: Während der Ausarbeitung in verschiedenen Materialien und Formen sollten immer die gegenseitige Beeinflussung zweier Elemente berücksichtigt werden. Naturstudien wiederum zielten darauf ab, Gegenstände in „Tonwerten und charakteristischen Formen“ zu erfassen und zeichnerisch treffend wiederzugeben.

Obwohl die Baukunst stets das Ziel der Ausbildung blieb, berief Gropius in den ersten Jahren fast ausschließlich Maler als Bauhausmeister. Unterricht in reinen Malklassen gab es aber am Anfang nicht. Von solchen akademischen Lehrstrukturen wollte man sich am Bauhaus schließlich explizit lösen.

Nach Abschluss der obligatorischen Vorlehre hatten sich alle Studierenden für die Arbeit in einer der Bauhaus-Werkstätten zu entscheiden, die von einem Künstler und einem Handwerksmeister geleitet wurden. Hier war die Vermittlung handwerklicher und gestalterischer Grundlagen direkt mit der Praxis verbunden: der Entwicklung von Prototypen, die in den Bauhaus- Werkstätten selbst in die Serienproduktion gingen oder – vor allem in der Dessauer Zeit – auch von Industrieunternehmen in Lizenz hergestellt wurden.

In der Phase des frühen Bauhauses standen in der Metallwerkstatt noch freie Formstudien und das experimentelle Erfassen der metallischen Werkstoffe im Vordergrund. Seit 1923 – mit der Übernahme der Werkstattleitung durch László Moholy-Nagy – bekamen funktionale Aspekte ein stärkeres Gewicht: Es entstanden schlichte, auf Elementarformen reduzierte Gefäße aus Messing und Silber. Neben der legendären „Bauhaus-Leuchte“ von Carl Jakob Jucker und Wilhelm Wagenfeld erlangte unter anderem das Silberservice von Marianne Brandt weite Verbreitung. Es war für die industrielle Serienproduktion konzipiert.

Ob Keramik, Typografie oder Wandmalerei, auf allen Gebieten schufen Lehrer und Lehrende des Bauhauses Klassiker des modernen Designs. Doch keine der Werkstätten hat das Bild des Bauhauses so nachhaltig geprägt wie die Möbelwerkstatt. Auch hier galten die „Grundsätze der Bauhaus-Produktion“: Jedes Ding soll seine Funktion praktisch erfüllen, haltbar, billig und schön sowie zur industriellen Herstellung tauglich sein. Marcel Breuer, seit 1925 Leiter der Werkstatt, setzte dieses Konzept mit seinen Stahlrohrsesseln und -stühlen radikal um. Diese Möbel wurden zum Inbegriff eines neuen Einrichtungsstils.

Einfache Materialien

Mit Breuers Abgang im Jahr 1928 verschoben sich jedoch die Akzente. Statt teurer Einzelanfertigungen standen nun mehr und mehr produktionsreif ausgearbeitete Möbel aus einfachen Materialien im Mittelpunkt des Interesses. Die Zahl der Entwürfe reduzierte sich, viele mussten deshalb multifunktional einsetzbar sein. Ein ästhetische Mehrwert wurde bewusst zugunsten eines mehr handwerklichen Erscheinungsbildes vernachlässigt. Die Nachfahren dieser Konzepte finden sich heute sowohl beim einfachen Ikea-Regal als auch im sündhaft teuren Design-Geschäft.

Dass das Endziel aller bildnerischen Tätigkeit jedoch der Bau sei, verkündete das Bauhaus-Manifest bereits 1919. Von Anfang an haben Studierende deshalb an Bauprojekten mitgearbeitet. In der Frühphase musste das Bauhaus allerdings mit dem Widerspruch leben, die nötige Architekturschulung nicht erteilen zu können. Neben Kursen im Werkzeichnen gab es entsprechenden Unterricht zunächst nur in Walter Gropius’ Baubüro. Erst im letzten Weimarer Semester wurden regelmäßig Kurse angeboten. Die von Hannes Meyer ab 1927 geleitete Bauabteilung ermöglichte eine eigenständige Architektenausbildung, deren Grundlage die Ermittlung der Bedürfnisse der Nutzer waren. Unter Mies van der Rohe wurden ab 1930 aber verstärkt ästhetische Gesichtspunkte wichtig.

Ausgangspunkt blieb die Frage nach den Grundbedürfnissen des Menschen: Wie viel Licht, Luft und Raum braucht er? „Gleichgeartete Massenbedürfnisse einheitlich und gleichartig“ zu befriedigen galt Gropius als zentrale Aufgabe. Als Mittel propagierte er das Wohnhochhaus, den Zellenbau, die Trabantenstadt, die radikale Flächensanierung. Der Optimismus, die Theorie einfach eins zu eins in die Praxis übertragen zu können, ist mehrere Jahrzehnte nach der – oftmals vulgären – Umsetzung dieser Utopien geschwunden. Doch nach wie vor steht das Bauhaus für ein bis heute prägendes Design- und Architekturkonzept.

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