: Nein, aber … zum Krieg gegen Irak
Anders als Bundeskanzler Schröder übt sich Frankreichs Staatspräsident Chirac gegenüber den USA in diplomatischen Floskeln und versteckt sich hinter der UNO. Eine gemeinsame Position ist nicht in Sicht. Linke Opposition macht gegen Krieg mobil
aus Paris DOROTHEA HAHN
Der Krieg gegen den Irak, den US-Präsident George W. Bush vorbereitet, wird auch ein Thema zwischen den Herren Chirac und Schröder sein, die heute in Hannover zu ihrem letzten Treffen vor den Bundestagswahlen zusammenkommen. Es wird ein ein Austausch mit vertauschten Rollen werden: Deutschland, das aus französischer Sicht jahrzehntelang allzu unkritisch US-Positionen übernahm, hat dieses Mal in Person von Bundeskanzler Schröder ein quasi prinzipielles „Nein“ zu den Bomben gesagt. Paris, das sich seit der Ära General de Gaulles im transatlantischen Kräftemessen übt, hat diplomatisch „Non, mais“ gesagt – nein, aber. Präsident Chirac ist strikt gegen einen US-Alleingang gegen den Irak. Aber einer Entscheidung des Weltsicherheitsrats würde er Folge leisten.
Er sei „beunruhigt“ über einen „einseitigen und präventiven Einsatz von Gewalt“ erklärte Chirac Ende August vor der Versammlung der französischen Botschafter in Paris, bei der alljährlich die großen Linien der Außenpolitik Frankreichs vorgestellt werden. Dann plädierte er für die Rückkehr der UN-Rüstungsinspekteure in den Irak und erklärte, nur der UN-Sicherheitsrat hätte über neue Bombardements zu entscheiden.
Chirac hat seine Erklärung zum Irakkrieg nicht nur als französischer Staatschef abgegeben, sondern auch als ständiges Mitglied des Weltsicherheitsrats. Er schlüpfte für den Anlass in die Doppelrolle des nationalen und internationalen Politikers. Dabei sprach er jener Mehrheit seiner Landsleute aus dem rechten und linken politischen Lager aus der Seele, die den auf Washington konzentrierten „Unilateralismus“ in den internationalen Beziehungen zunehmend unerträglich finden. Zugleich hat Chirac versucht, die kollektiven internationalen Organisationen – allen voran die UNO – zu stärken. Offene Kritik an den USA hat er dabei vermieden. Genau wie sein neuer Außenminister Dominique de Villepin. Aus Paris kommen damit neue Töne.
Schröder hat seine Position zum Irak auch in einer Doppelrolle abgegeben. Doch ist er damit innerhalb der deutschen Grenzen geblieben. Er sprach als Bundeskanzler und als sozialdemokratischer Wahlkämpfer. Was dabei herauskam, ähnelt den Erklärungen, die vor einigen Monaten die französischen Sozialdemokraten abgegeben haben, zum Verwechseln: Ohne uns.
Obwohl der französische und der deutsche Politiker im Prinzip gegen einen US-Krieg gegen den Irak sind, wird es nicht einfach sein, ihre unterschiedlichen Positionen auf einen Nenner zu bringen. Erst recht nicht, wenn es darum geht, über ein europäisches Verhalten gegenüber den USA nachzudenken. „Schröder, Blair, Chirac – jeder redet für sich“, beklagte in Paris der nicht zur Regierung gehörende konservative Politiker François Bayrou, „aber eine gemeinsame Position finden sie nicht.“
Franzosen, die prinzipiell gegen ein Bombardement des Irak sind, wollen sich nicht auf ihren Präsidenten verlassen. Nachdem der Élysée-Palast das klare Nein, das sie hören wollten, verweigert hat, rätseln sie, wie Chirac im Zweifelsfall im Weltsicherheitsrat entscheiden würde. Und wie er sich verhalten würde, wenn andere ständige Mitglieder – Russland beispielsweise – in eine andere Richtung gingen.
Auch die linken Oppositionsparteien Frankreichs bezweifeln, dass Chirac eine Garantie für den Frieden am Golf ist. Sie rufen die Öffentlichkeit auf, sich zu mobilisieren. Nur Bürgerwiderstand in Europa könne den Krieg verhindern. Über Rezepte wollen einige linke Abgeordnete am kommenden Dienstag bei einem Kongress im Parlament in Paris diskutieren. Thema: „Den Krieg verhindern, bevor es zu spät ist.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen