: Spezialität: Standard
Arbeitsamt verweigert Schauspieler die Weiterbildung für Film und Fernsehen. Argument: Dauerhaftes Engagement unwahrscheinlich
von SANDRA WILSDORF
Schauspieler, das weiß jeder, sind unstet. Wo sich ihnen eine Bühne bietet, da springen sie drauf. Und zwischendurch machen sie eben etwas anderes. Deshalb nennt man sie ja auch „Lebenskünstler“. Die Auswirkungen dieses Images bekommt zu spüren, wer ihm nicht entspricht – wie der 45-jährige Hamburger Norbert Eichstädt.
Denn wie oben beschrieben stellt sich offenbar der gemeine Hamburger Arbeitsamtsbeamte das Theaterleben vor. Einem Schauspieler eine Weiterbildung genehmigen? Völlig sinnlos, es sei denn, aus dem Schauspieler würde am Ende etwas Solides, wie etwa Bürokaufmann.
Norbert Eichstädt ist seit zwölf Jahren Theaterschauspieler. Er hätte nichts gegen eine Lebenszeitstellung. Aber die Realität ist eine andere. Und so hat der heute 45-Jährige Jahre damit verbracht, mal in Bozen und mal in Berlin zu spielen, eben immer da, wo sich eine Bühne bot. Doch vor eineinhalb Jahren hat er seinen Lebensmittelpunkt nach Hamburg verlegt, wo seine Freundin lebt.
Seitdem ist er arbeitslos. Mit Unterbrechungen, denn er ist so flexibel, wie Arbeitsamt und Leben verlangen: Anfang des Jahres ist er als Comedian auf einem Kreuzfahrtschiff gereist, jetzt arbeitet er als Wahlhelfer. Er hatte eine eigene Theaterproduktion und immer wieder Vorsprech-Proben. Er hat sich bei Casting-Agenturen für den Film beworben, doch die lehnten ihn ab, weil er kein Bewerbungsvideo hat. Das kostet etwa 1000 Euro. Die hat Eichstädt nicht. Und das Arbeitsamt zahlt nur Passfotos.
Anfang des Jahres schlägt ihm sein Arbeitsamtsberater eine Umschulung zum Bürokaufmann vor. Norbert Eichstädt lehnt ab. Nach Abschluss der Ausbildung wäre er 47 Jahre – das scheint ihm für einen Berufsanfänger zu alt. Die für ihn zuständige Zentrale für Bühnen- und Fernsehvermittlung (ZBF) des Arbeitsamtes empfiehlt ihm eine Weiterbildung zum Film- und Fernsehschauspieler. Die gibt es aber nur in Berlin oder Düsseldorf. Dort würde Eichstädt lernen, sich vor der Kamera zu bewegen, Kontakte zum Film knüpfen und am Ende eine Demokassette in Händen halten.
Das Hamburger Arbeitsamt lehnt seinen Antrag ab – und damit die Chance, einen Arbeitslosen langfristig loszuwerden. Das Argument: Förderungen außerhalb Hamburgs allgemein und die Schauspieler-Ausbildung im Besonderen genössen keine Priorität mehr. „Denn angesichts der berufstypisch immer wiederkehrenden Zeiten ohne Engagement wird das Ziel einer dauerhaften beruflichen Eingliederung überwiegend nicht in dem Maße wie mit den sonst hier angebotenen Bildungsmaßnahmen erreicht werden können.“
Arbeitsamtssprecher Knut Böhrnsen erklärt: „Für Maßnahmen außerhalb Hamburgs gibt es einen speziellen Etat, und der ist verbraucht.“ Aber wenn es die Maßnahme in Hamburg nicht gibt? Und Eichstädt in Berlin bei Freunden wohnen würde? Topf ist Topf. In diesem Stück spielen die Beamten die Hauptrollen.
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