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Kleingewerbe raus

Treuhand will 25 Kleinbetriebe aus Mitte vertreiben, weil Hauptpächter Zahlungen für das Areal schuldet

Hausräumungen kommen offenbar wieder in Mode, auch ganz ohne Besetzer. Gestern Morgen traf es rund 25 Kleingewerbetreibende in Mitte. Obwohl die hauptsächlich von Türken und Kurden geführten Betriebe Verträge vorweisen konnten und auch Miete gezahalt hatten, verlangte der Gerichtsvollzieher die Räumung des Geländes Chausseestraße 37–42. Manche begannen, ihren Besitz aus den Hallen zu räumen, andere setzten sich bloß völlig perplex in ein angegliedertes Café.

Das Gelände gehört der Treuhand Liegenschaftsgesellschaft (TLG Immobilien). Die hat es verpachtet an Nihat Dengi, der wiederum die Räumlichkeiten weitervermietete. Nach Informationen der TLG zahlt Dengi seit 17 Monaten keine Pacht mehr. Dreimal, so die Liegenschaftsgesellschaft, habe sie Dengi fristgerecht gekündigt. Am 18. Februar gewann sie vor Gericht gegen den Pächter einen Prozess, derein Räumungsurteil nach sich zog. Laut TLG ist der Fall klar: Seit März ist Dengi offiziell nicht mehr Pächter des Geländes, Untermieter hatte er nicht angemeldet. Die Hallen müssen geräumt werden.

Die Betriebe, die sich bis dahin in den Gebäuden aufhalten, sollten ihre Miete fortan an die Treuhand zahlen. Das hat sie den Untermietern anhand von Flugzetteln und zum Teil auch in persönlichen Anschreiben mitgeteilt. Auch eine künftige Räumung kündigte die TLG an, doch den Termin teilte sie erst im August mit. Zwölf der Untermieter beauftragten einen Anwalt, der gestern zumindest für zehn seiner Klienten eine einstweilige Verfügung erwirken konnte. Das heißt, die Räumung wird aufgeschoben, bis die jetzigen Mieter einzeln verklagt werden.

Denn so einfach wie die TLG beurteilen die Anmieter die Lage nicht: Nihat Dengi hatte sie im Frühjahr mit Hilfe eines Professors überzeugt, dass sie weiterhin die Miete an ihn zahlen müssten. Jetzt sollen sie also zusätzlich rückwirkend ab März Miete an die Treuhand zahlen.

Kenan Demirell, auch einer der Mieter, wurde beauftragt, im Namen der Untermieter mit der TLG zu verhandeln. Gestern stellte sich heraus, dass er auch über eine Übernahme des Pächtervertrags diskutiert hat. Ohne Wissen der anderen Untermieter und auf ziemlich unprofessionelle Art veränderte er jedoch die Mietverträge, die er der TLG überreichte, und setzte niedrigere Preise ein.

Nach Aussage von Günther Sölken, Vertreter der TLG Berlin-Brandenburg, ist es seiner Gesellschaft nicht möglich, die Mietverträge weiter zu führen. „Herr Dengi hat bauliche Maßnahmen durchgeführt, für die er keine Genehmigung hatte. Wenn wir Anschlussmietverträge unterschreiben, übernehmen wir die Verantwortung für sein Handeln und müssen die Kosten dafür übernehmen.“ Zudem sei geplant, das Grundstück selbst zu bebauen. Wie, ist aber noch unklar. JOHANNA TREBLIN

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