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Justizminister in Kaschmir getötet

Kurz vor Beginn der Wahlen im indischen Teil Kaschmirs fällt der regionale Justizminister einem Attentat zum Opfer. Islamistische Separatisten wollen Wahlboykott erzwingen. Über 260 Tote seit Ankündigung der Wahlen Anfang August

von SVEN HANSEN

In Indiens Bundesstaat Jammu und Kaschmir ist der Minister für Justiz und Parlamentsangelegenheiten, Mushtaq Ahmad Lone, gestern bei einem Attentat mutmaßlicher islamistischer Separatisten getötet worden. Mit ihm starben mindestens fünf weitere Personen, berichtete die Onlineausgabe der Times of India unter Berufung auf die Polizei in Srinagar. Gegenüber der Agentur Kashmir Press Service bekannte sich ein Anrufer im Namen der wenig bekannten Gruppe al-Ariffel zu dem Attentat.

Lone gehörte zur proindischen Partei Nationale Konferenz und war auf Wahlkampftour im Kupwara-Distrikt. Im Dorf Rednang, 110 Kilometer nördlich der Sommerhauptstadt Srinagar gelegen, griffen die Attentäter seinen Konvoi mit einem Sprengsatz an und beschossen ihn mit Maschinengewehren. Der Distrikt gehört zu jenen, die bei den am Montag beginnenden Regionalwahlen als Erstes abstimmen. Aus Sicherheitsgründen wird bis zum 8. Oktober an vier Tagen gewählt.

Lone ist bereits der zweite Kandidat, der in diesem Wahlkampf ermordet wurde. Am vergangenen Freitag war der unabhängige Scheich Abdul Rehman samt dreier Begleiter erschossen worden. Erst am Dienstagabend überlebte ein Kandidat der Kongresspartei unverletzt einen Anschlag. In weiteren Zwischenfällen wurde gestern in Nordkaschmir eine lokale Führerin der Nationalen Konferenz ermordet und in Surankote wurden an einer Bushaltestelle neun Wartende von Unbekannten erschossen.

Nach Agenturberichten wurden seit Ankündigung der Wahlen in Jammu und Kaschmir damit bereits über 270 Menschen getötet. Islamistische Separatisten, die seit 1989 mit pakistanischer Unterstützung in der Region mit muslimischer Mehrheit einen Guerillakrieg führen, riefen zum Boykott der Wahlen auf. Die Gruppe Dschamiat-ul-Mudschaheddin, die für den Mord an Rehman die Verantwortung übernahm, drohte all diejenigen zu töten, die sich an den Wahlen beteiligten. Ein Ultimatum der Gruppe lief vorgestern aus.

Die Islamisten wie auch viele gemäßigtere Muslime in der Region lehnen die Wahlen ab, weil sie darin ein Manöver der Regierung in Delhi sehen, ihren Hoheitsanspruch zu legitimieren. Sie fordern vielmehr ein Referendum über den Status der Region, wie dies in den entsprechen UN-Resolutionen von 1948/49 vorgesehen war.

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