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HAUSHALTSDEBATTE IM BUNDESTAG: EINE ZUMUTUNG FÜR DAS PUBLIKUMAm Ende zählt nur der Schlips

Kleines Quiz unter Freunden: Was blieb in Erinnerung vom letzten Fernsehduell zwischen Kanzlerkandidat Edmund Stoiber und Amtsinhaber Gerhard Schröder? Die häufigste Antwort lautete: Schröder war irgendwie besser – und außerdem trugen beide Kontrahenten die gleiche Krawatte. Ein bisschen dürftig, diese Erinnerungsleistung, könnte man denken. Aber das wäre unfair. Es gibt Ereignisse, die fast noch weniger Erinnerungswert haben. Zum Beispiel die aktuelle Haushaltsdebatte im Bundestag. Sie ist eine Zumutung.

Zunächst einmal: Sie hat keinen Gegenstand. Schon aus Verfassungsgründen kann der Haushaltsentwurf von Finanzminister Hans Eichel niemals Gesetz werden, dafür sorgt die Wahl. Der nächste Bundestag wird über einen neuen Entwurf beraten. 669 Abgeordnete und eine Regierung beschäftigen sich selbst und ihr Publikum zwei Tage lang, ohne dass dies Konsequenzen hätte.

Allerdings könnte es auch ohne Entscheidungsdruck erhellend sein, wenn alle Parteien über die Finanzierung der Zukunft debattieren. Könnte. Tatsächlich aber blieb es beim Bekannten: Die Flut ist teuer, die Weltkonjunktur lahmt, die wirtschaftlichen Folgen eines Irakkriegs sind nicht abzusehen. Außerdem, so die Opposition, hatte der Kanzler zu lange eine zu „ruhige Hand“. Und die FDP, welche Überraschung, ist immer noch überzeugt von ihrem eigenen Steuerkonzept.

Die freundlichste Interpretation dieser Dauer-Endlosschleife ist, dass dem Publikum mehr nicht zuzumuten sei. Schließlich verstehen nur wenige Experten das Fünfkilopaket namens Haushalt. Selbst viele Parlamentarier sind mit den Details überfordert. Übrigens ein guter Grund, überflüssige Debatten im Bundestag ganz zu streichen.

Der Auftritt der Haushaltspolitiker war wie das TV-Duell – reine Show, aber mit mehr Personal und leider ohne Moderatoren. Fortsetzung folgt: Während gestern die Vorgruppen auftraten, sind heute Schröder und Stoiber dran. Und am Ende werden sich wahrscheinlich wieder alle vor allem an die Krawatten der beiden Kontrahenten erinnern. Es ist ja auch ein Zeichen, ob sie gleich gestreift oder betont unterschiedlich erscheinen. Aber ein Zeichen für was? ULRIKE HERRMANN

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