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Berliner Ja-Sagerin

GAL-Fraktionschefin muss eventuell Bundestagsabgeordnete werden. Umfragen machen zwei grüne Mandate für Hamburg möglich

von SVEN-MICHAEL VEIT

Krista Sager wird in den Bundestag wechseln, wenn dies das grüne Ergebnis bei der Bundestagswahl am nächsten Sonntag ermöglicht. „Ich kann mich ja nicht beschweren, wenn so viele Menschen in Hamburg grün wählen sollten“, so gestern die GAL-Fraktionschefin in der Bürgerschaft. Nach neuesten internen Berechnungen nämlich liegt es neuerdings im Bereich des Möglichen, dass aus Hamburg zwei Grüne in den nächsten Bundestag einziehen. Und hinter Spitzenkandidatin und Parteichefin Anja Hajduk rangiert auf Platz 2 der Landesliste eben die ehemalige Zweite Bürgermeisterin.

Die neuesten Meinungsumfragen zur Bundestagswahl sehen Rot und Grün im Aufwind. Das Wahlziel von „8 Prozent plus X“ im Bund scheint für die Grünen erreichbar; eine Emnid-Umfrage vom Wochenanfang wies für die GAL in der Hansestadt mit 11 Prozent ein bessseres Ergebnis als vor vier Jahren aus. Ab 12 Prozent, so hat die Bundesgeschäftsstelle der Bündnisgrünen nun errechnet, könne die GAL wieder mit einem zweiten Mandat rechnen. Bei der Wahl 1998 war dieses nur um wenige hundert Stimmen verfeht worden.

Am Donnerstag erst hat Sager erfahren, dass ihr Listenplatz plötzlich „eine Möglichkeit offenbart, die in meiner Lebensplanung nicht vorgesehen war“. Bei der Aufstellung der Kandidaten im April hatte bestenfalls der Spitzenrang Hajduks als aussichtsreich gegolten. Die Konsequenz, welche die 49-Jährige aus der „letztlich doch sehr positiven“ Entwicklung zieht: „Man darf ja WählerInnen nicht veräppeln. Wenn es für zwei Mandate reicht, gehe ich nach Berlin.“

Die NachrückerInnen in die grüne Fraktion in der Bürgerschaft stehen bereits fest. Die 39-jährige Haushaltsexpertin Hajduk wird ersetzt durch den gleichaltrigen Architekten und Parlamentsneuling Jörg Lühmann, für Sager käme die 43-jährige Jugendpolitikerin Sabine Steffen zurück ins Parlament, dem sie bereits bis vorigen September vier Jahre lang angehört hatte. Offen ist hingegen noch, wer Sagers Spitzenposition als Fraktionsvorsitzende übernehmen würde.

Dieses überraschende Szenario aber hat nicht zuletzt die GAL sich selbst zuzuschreiben, findet Parteichefin Hajduk: „Wir haben hier einen sehr guten und professionellen Wahlkampf gemacht.“ Hinzu käme ein „Entsetzen bei den Menschen“ über die Politik von Schwarz-Schill in Hamburg. Viele, die vor einem Jahr noch die GAL oder die rot-grüne Hamburger Koalition „abstrafen wollten und deshalb Regenbogen oder gar nicht gewählt haben“, kämen jetzt zurück.

In der Hansestadt hätten sie am eigenen Leib erfahren, „wie viel es zu verlieren gibt bei einem Politikwechsel“, so die Einschätzung von Hajduk und Sager. „Jetzt wollen sie das Erreichte verteidigen und nicht erneut aufs Spiel setzen.“

Die Konsequenz nehmen die beiden grünen Spitzenfrauen gerne in Kauf: „Wir sind sehr, sehr optimistisch.“ Zur Verstärkung dient in der letzten Woche ein Taktik-Wechsel unter dem Motto „Zweitstimme ist Joschka-Stimme“. Die SPD habe ja die FDP oder eine Große Koalition als Alternative. Wer eine Fortsetzung der rot-grünen Bundesregierung wolle, folgern Hajduk und Sager, „muss deshalb Grün so stark wie möglich machen“. Was hätten sie auch sonst sagen sollen.

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