: berliner szenen Beim Fahrradhändler
Gut warten
„Watt wollnse!?“ Der Fahrradhändler schaute mich mit großen Augen an. „Ne Handbremse fürn Hollandfahrrad!?“ Energisches Kopfschütteln. „Hamwa nich. Gibbs nich mehr. Ditt braucht doch keen Mensch!“ Mit dem Brustton des überzeugten Hollandfahrrad-Besitzers entgegnete ich tapfer: „Doch. Ich!“ Das schien den Mann nicht zu beeindrucken: „Ja, nee. Gibbs aber nich mehr! Die letzte Firma iss vor vier Jahren in die Binsen! Iss ja ooch kein Wunder, weil immer nur die alten Bremsen produziert!“ Zur Bestätigung wies er auf die an der Decke baumelnden Mountain-Bikes mit futuristischer High-Tech-Austattung.
„Kann man denn auch keine mehr bestellen!?“, fragte ich noch mal vorsichtig nach. Der Fahrradhändler hob seine ölverschmierten Hände in die Höhe: „Nee, nee, ditt könnse vergessen. Vielleicht liegen ja hier noch irjendwo welche rum!“ Er drückte seine Zigarette auf dem Tresen aus und wies seinen Gehilfen an, eine Suchaktion zu beginnen. Dann fertigte er brüsk eine junge Frau ab, die ihr repariertes Fahrrad abholen wollte: „Ditt Tretlager hattense ja wohl mindestens zehn Jahre nich gewartet! Mann, mann, mann.“ Als die junge Dame etwas pikiert den Laden verlassen hatte, wurde der Händler noch deutlicher: „Fahrrad billig bei Aldi koofen, fahren bis zum Umfallen! Aber doch nicht mit mir! Ich mach meinen Laden bald zu, mir reichts! Ich bin doch nicht euer …“ Er musste er sich erst mal setzen und japste wie eine alte Luftpumpe.
Der Gehilfe kam mit einer klassischen Felgenbremse zurück. Als ich mit dem Restexemplar der ausgestorbenen Gattung den Laden verließ, hatte sich der Chef wieder etwas beruhigt: „Und nehmse wochentags lieber die S-Bahn, zuviel Fahren tut dem Rad nicht gut!“ ANSGAR WARNER
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen