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Architektur braucht Öffentlichkeit

„Undurchsichtige Vergaberegeln“, „perspektivloser Aktionismus“: Schlechte Stimmung in der Bremer ArchitektInnenszene, vor allem, was die Baupolitik des Wirtschaftsressorts betrifft. Dabei beginnt heute eine regelrechte „Architektur-Woche“: Mit Juryentscheidungen und Stadthallendiskussion

Diese Woche bringt für die Architektur in Bremen wichtige Ereignisse. Am Donnerstag kürt eine Jury die Preisträger des BDA-Preises Bremen 2002. Am selben Tag wird um 19 Uhr im Vortragssaal der Kunsthalle Roland Rainer, unterstützt von namhaften Experten, seinen Protest gegen den Umbau der von ihm entworfenen Stadthalle (die taz berichtete) vortragen.

Ein Interview mit Ulrich Tilgner, dem Vorsitzenden des Landesverbandes Bremen des Bundes Deutscher Architekten (BDA) über aktuelle Fragen der Architektur im Land Bremen.

taz: Über das Image von Architektur und Architekten wird zur Zeit äußerst kontrovers diskutiert. Einerseits ist zeitgenössische Architektur populär wie selten zuvor, deckt sich offensichtlich mit einem aktuellen Lebensgefühl. Andererseits trifft man auf harsche Kritik, Lamentos und Depressionen angesichts eines Überangebots an ausgebildeten Architekten, angesichts einer Einschränkung des Wettbewerbswesens, angesichts einer allenfalls mittelmäßigen Qualität der gebauten Umwelt ... Wie stellt sich für Sie die Lage in Bremen dar: Überwiegt Optimismus oder Pessimismus?

Ulrich Tilgner: Auch in Bremen findet man spektakuläre moderne Architektur, die populär ist: das Domshof-Forum, die Uni-Halle, sicher auch das Universum. Doch die Angst vor moderner Architektur ist hier immer noch groß: Man muss sich nur mal die Airport-Stadt anschauen ...

Insgesamt, auf das Gros der Architekten bezogen, ist die Stimmung pessimistisch. In Bremen wird zwar über Architektur lebhaft und kontrovers diskutiert. Doch dabei bleibt es, weil diejenigen, die über Architektur reden, nicht die sind, die sie machen. Das Baugeschehen wird zurzeit durch das Wirtschaftsressort bestimmt, das sich leider weit gehend einer öffentlichen Diskussion entzieht. Sehr zum Nachteil des Stadtbilds, denn die durch undurchsichtige Vergaberegeln entstehenden Bauten sind meist Beispiele eines perspektivlosen Aktionismus. Was wir brauchen, ist ein Wettbewerbswesen – zugänglich für alle Architekten – sowie der politische Wille, die Fach- und Entscheidungskompetenzen wieder dem Bauressort anzugliedern.

Müsste nicht auch mehr für junge Büros getan werden?

Förderungen, wie sie im Wirtschafts- oder im Designbereich existieren, sollte es auch für junge Architekturbüros geben. Wir hatten auch schon Gespräche mit dem Wirtschaftssenator. Ansonsten gilt auch hier die Forderung nach mehr fairen und sinnvollen Wettbewerben. Einer der letzten größeren Wettbewerbe – der zur „Teerhof-Lücke“ – war ja in Sachen sinnvoller Vorbereitung eine Farce. Man muss sich mal vorstellen: Eine Stadt wie Verden hat gegenüber Bremen einen doppelt so hohen Etat für Wettbewerbe.

Anfang des Jahres haben Sie und andere jüngere Architekten ein neues „Architekturforum“ angekündigt. Was ist daraus geworden?

Wir wollen uns, als eine Art „task force“, den aktuellen baulichen Problemen der Stadt stellen und darüber öffentlich diskutieren. Die Resonanz unter den Kollegen war groß. Doch momentan ist etwas der Schwung raus. Wichtig für uns war: Wir wollten nicht im Nachhinein meckern, wie das in Bremen oft geschieht, sondern uns, zum Beispiel in Form von Workshops, in aktuelle Fragen einklinken. Man müsste daran weiterarbeiten.

Im Vorwort zum Katalog des letzten BDA-Preises hat Ihr Amtsvorgänger Thomas Klumpp geschrieben: „Architekturen sind die augenfälligsten Kulturdokumente der Geschichte. Die Identität eines Ortes wird bestimmt durch seine Architekturen.“ Nun ist derselbe Architekt gerade im Begriff, die Stadthalle von Roland Rainer (BDA-Preis 1974) nachhaltig umzuformen. Also einen Bau, der nicht nur die Identität eines Ortes prägt, sondern auch als bauliches Symbol das vielleicht augenfälligste Kulturdokument der bremischen Nachkriegsarchitektur darstellt. Unterstützt das nicht das Vorurteil, wonach Architekten Sonntagsredner sind, die sich um ihr „Geschwätz von gestern“ nicht mehr scheren, wenn sie die Möglichkeit erhalten, sich baulich selbst zu verwirklichen?

Klumpp geht den mutigen Schritt, das Gebäude zu verändern. Das kann er machen. Schlecht ist aber, dass das nicht öffentlich diskutiert wird. Auch hier zeigt sich wieder, dass der Auftraggeber, die dem Wirtschaftsressort nahestehende Hanseatische Veranstaltungsgesellschaft (HVG), an einer Diskussion gar nicht interessiert ist. Es ist eigentlich unverantwortlich, so mit Baukultur umzugehen. Und der Bausenator beklagt sich nicht einmal.

Ein generelles Problem ist, dass fast 90 Prozent aller Bauaufträge heute Umbauten sind. Als Architekten müssen wir uns darüber Gedanken machen, was wir mit den Umbauten bewirken. Die Stadthalle ist natürlich ein besonders sensibles Objekt. Eigentlich darf man bei einem Umbau nicht die Gestalt oder die Idee des Gebauten auf den Kopf stellen. Das ist aber bei dem hier geplanten Umbau der Fall.

Die Statik wird beispielsweise auf den Kopf gestellt. Die Pylone [die sechs expressiven Tragelemente der Halle, die Red.] machen so keinen Sinn mehr. Der Grundgedanke des Bauwerks geht verloren. Ein in sich geschlossenes Kulturdokument von der Wirkung einer großen Skulptur wird seine charakteristische Gestalt verlieren.

Es wird kolportiert, dass außer Klumpp alle BDA-Vorständler gegen den Stadthallenumbau in der zu erwartenden Form gewesen sind. Hätte man ein solches Meinungsbild nicht der Öffentlichkeit stärker vermitteln müssen?

Vielleicht, aber vor allem muss Klumpp verantworten, was mit dem Bauwerk geschehen wird. Ich kann ihm nur empfehlen – wenn schon sein Auftraggeber öffentlichkeitsscheu ist – selbst an die Öffentlichkeit zu gehen und seine Pläne zur Diskussion zu stellen. Interv.: E. Syring

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