: Trockenschwimmen mit dem Ball am Fuß
Bei den Berlin City Games lässt Sportartikelhersteller Adidas an ungewöhnlichen Orten Bälle schießenund werfen. Doch der Sport ist bei dem Event nur Nebensache. Im Vordergrund steht die Bekanntheit der Marke
Bei aller manchmal durchaus berechtigten Kritik an der Verwendung von Anglizismen in der deutschen Sprache, gibt es doch Ausdrücke, die im Deutschen einfach nicht funktionieren. Bei den „Berliner Stadtspielen“ würden die einen vielleicht an ein Skatturnier mit Karten, auf denen Berliner Stadtansichten festgehalten sind, denken, andere an eine Bastelveranstaltung für die Kleinen im Stadteilzentrum. „Berlin City Games“ hört sich da schon anders an. Da geht es, werden nicht wenige sofort vermuten, keineswegs um eine Veranstaltung, es muss sich vielmehr um ein Event handeln. Englisch ist da einfach eindeutig.
„Berlin City Games – Your City. Your Arena“, mit diesem Slogan hat Sportartikelgigant Adidas die Berliner Innenstadtbezirke plakatieren lassen. Dem Stadtmagazin 030 lag das „Event Booklet“ bei, in dem die Kampagne erläutert wird: „Wenn’s um dein Spiel geht, ist Berlin nicht deine Stadt: keine Halle, kein Platz – kein Match.“ Das ist natürlich schlecht für Adidas, denn wo kein Sport getrieben werden kann, werden auch nicht unbedingt Sportartikel benötigt. Gut, dass sich die Drei-Streifen-Firma jetzt um die prekäre Sportanlagensituation in der Stadt kümmert. Zwei Events weisen den Weg in eine rosige Sportzukunft: Roof-Basketball und Pool-Soccer. Vor Wochenfrist wurde Streetball auf einem Hausdach gespielt, am Samstag nun Fußball im Becken eines stillgelegten Schwimmbades.
„Das alles ist natürlich mit einem Augenzwinkern gemeint“, sagt Jörn Clausen von der Werbeagentur „Häberlein & Mauerer“. Eigentlich sagt er es nicht, er brüllt es. Um sich zu unterhalten, ist es zu laut in der stillgelegten Schwimmhalle in Friedrichshain. Auch Hallensprecher Tim Böttcher, hauptberuflich Moderator bei Radio Fritz, ist nur zu verstehen, wenn er das Mikrofon ganz nah an den Mund hält, um den Zwischenstand einer Pool-Soccer-Partie durchzugeben. Die von der Fußball-WM noch sattsam bekannten Spots des Sportartikelherstellers werden auf Großleinwände projiziert. Gut gelaunt dreinblickende junge Mitarbeiter des Promotionteams wuseln wichtigtuerisch durch die Halle. Schwarz gekleidete Sicherheitsdienstler schauen als einzige grimmig drein. Unten im Pool spielen acht junge Männer Fußball, vier für die Mannschaft „Kampfgeist“, vier für „Die Neuköllner“. Der Sport dient der Werbeparty als Kulisse. Nicht viel anders war es eine Woche zuvor beim Roof-Basketball. Die Agentur hat lange gesucht, bis sie endlich ein Hausdach in Mitte gefunden hatte, das sicher genug für ein Streetball-Turnier über Normalnull war. Dann wurden in der Rungestraße in Mitte Video-Beamer aufgestellt, der Gute-Laune-Moderator legte los, die Musik begann zu dröhnen, und Streetball wurde auch noch gespielt. „Das ist durchaus ein ernstes Anliegen“, betont Kampagnenleiter Clausen. Um die Urbarmachung versiegelter Stadtlandschaften zum Zwecke des Sports geht es ihm nicht: „Wir wollen die Markenbekanntheit steigern.“
Wo die Berliner Jugendlichen Sport treiben, ob sie tatsächlich Altglascontainer zu Basketballkörben machen oder Schrankenanlagen zu Tennisplätzen, wie im Event-Booklet vorgeschlagen, ist der Agentur letztlich egal. Wenn sich wie am Samstag tatsächlich ein paar Straßenjungs anmelden, dann ist das nur recht. Wegen Metropole und so. Und als „Die Neuköllner“ wirklich auf gut neuköllnerisch provoziert haben, sind die grimmigen Jungs von der Security schnell zur Stelle, um die heile Werbewelt wieder herzustellen.
Auf die Idee, dass es ein wenig geschmacklos sein könnte, in einer stillgelegten Schwimmhalle Fußball zu spielen, ist man bei der Agentur übrigens nicht gekommen. Eigentlich ist eine Schwimmhalle ja explizit ein Ort zum Sporttreiben und kein x-beliebiger Platz irgendwo in der Stadt. Egal. Die Kampagne läuft weiter. Ideen zu abgedrehten Sportevents können von den Zielgruppenjugendlichen (14- bis 19-Jährige) an die Agentur herangetragen werden. Vielleicht gibt es ja jemanden, der Pool-Swimming vorschlägt.
ANDREAS RÜTTENAUER
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