Redaktionen im Geheimdienstvisier

Hamburgs Datenschutzbeautragter warnt vor dem Großen Lauschangriff durch den Verfassungsschutz und hält die Maßnahme für den Geheimdienst für überflüssig. Akustische und optische Überwachung von Wohnungen trifft auch Unbeteiligte

von KAI VON APPEN

Hamburgs Datenschutzbeauftragter Hans-Hermann Schrader schlägt Alarm: Unmittelbar vor der gestrigen 1. Lesung des neuen Hamburger Verfassungsschutzgesetzes hat Schrader die Notwendigkeit des Großen Lauschangriffs für den Geheimdienst unter dem Deckmantel der Terrorismusbekämpfung in Frage gestellt und eine größere Gewichtung für den Datenschutz gefordert. Die akustische und optische Überwachung in Wohnungen ohne richterliche Verfügungen und ohne konkreten Anfangsverdacht durch den Verfassungsschutz (VS) stellt für Schrader einen „intensiven Grundrechtseingriff in den Kernbereich der Intimität“ dar. „Die Notwendigkeit dieser Maßnahme kann der Senat bislang nicht überzeugend darlegen,“ moniert Schrader. Daher werde er versuchen, dass dieser Passus im Innenausschuss gestrichen wird.

Schrader weist darauf hin, dass trotz stetiger gesetzlicher Verschärfungen in den vergangenen 50 Jahren die Notwendigkeit des Großen Lauschangriffs von Sicherheitsexperten stets bestritten worden ist. Selbst zu Zeiten des Deutschen Herbstes 1977, der Notstandsgesetze und der Hochphase der Roten Armee Fraktion sei auf dieses Mittel verzichtet worden.

„Eine besonders Besorgnis erregende Entwicklung ist auch“, ergänzt Schraders Polizeiexperte Harald Wollweber, „dass Überwachungen von Personen in ihren Wohnungen zulässig sein sollen, gegen die überhaupt kein Verdacht einer verfassungsfeindlichen Bestätigung besteht“. Dies bedeute, dass auch Vertrauens- und Kontaktpersonen sowie „Berufsgeheimnisträger“ wie Ärzte, Rechtsanwälte und Journalisten ins Visier der Agenten geraten. „Wenn ein Journalist im Bereich Terrorismus recherchiert und Material oder Informationen erhält, hat der VS natürlich auch ein Interessse, zu wissen woher diese Informationen kommen“, zeichnet Schrader das Geheimdienstszenario: „Das Resultat wird sein, dass die Wohnung des Journalisten oder die ganze Redaktion akustisch und optisch überwacht wird.“ Im Klartext: Das alles durch Videokameras in Bild und Ton aufgezeichnet wird. Schrader: „Die technische Wohnraumüberwachung sollte eine Tabu-Zone bleiben.“

Zufrieden sind die Datenschützer hingegen darüber, dass die Innenbehörde ihren Plan vorerst auf Eis gelegt hat, dem VS Befugnisse bei der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität zu übertragen. „Das wäre ein Bereich, der nicht in das Profil des Verfassungsschutzes passt“, rüffelt Schrader. Zudem habe die Polizei eigene technische Möglichkeiten, präventiv durch Telefonüberwachung, Observationen oder V-Leute bei Anhaltspunkten in der vorbeugenden Verbrechensbekämpfung tätig zu werden. „Die Polizei ist gut gerüstet, kriminellen Strukturen entgegenzuwirken, dazu wird der Verfassungsschutz nicht als Hilfssheriff gebraucht.“

Aus datenschutzrechtlichen Gründen sei ohnehin ein „Informationsverbund und Datenaustausch“ unzulässig, das grundrechtliche Trennungsgebot zwischen Polizei und Nachrichtendiensten lasse „keine Verwischung der Profile“ zu. In Hamburg sollten daher keine Bestimmungen erlassen werden, die „über die Bundesregelungen hinausgehen“ sagt Schader. Denn schon der so genannte „Otto Katalog“ im rot-grünen Antiterrorpaket stelle mit den weitreichenden Auskunftsrechten des Nachrichtendienstes für Kreditinstitute, Luftfahrt-, Post- und Telekomminikatiosunternehmen „bedenkliche Eingriffe in die Freiheitsrechte“ dar.