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Sicheres Wahlkampfgetöse

Brandenburg ist sicherer geworden, sagt Potsdams Innenminister Jörg Schönbohm (CDU). Doch für allegilt das nicht. Durchschnittlich alle vier Tage wird im seinem Bundesland eine rechte Gewalttat verübt

Frohe Botschaften aus dem Land des roten Adlers, drei Tage vor der Bundestagswahl. Für die Brandenburger sei das Leben seit seinem Amtsantritt sicherer geworden, verkündete Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) gestern in Potsdam. Besonders erfreulich aus der Sicht des Innenministers: Seine Behörden registrierten einen Rückgang von rechten Straftaten.

Die konkreten Zahlen werden in Potsdam allerdings gehütet wie ein kleineres Staatsgeheimnis. Nur so viel ist aus Sicherheitskreisen zu erfahren: In den ersten acht Monaten dieses Jahres habe man neben 566 rechten Straftaten auch 61 rechtsextreme und fremdenfeindliche Gewalttaten gezählt, ein knappes Drittel weniger als die 84 Gewaltdelikte im Vergleichszeitraum des Vorjahres.

Dass das Leben in Brandenburg keineswegs für alle sicherer geworden ist, erfahren hingegen die Mitarbeiter des Potsdamer Vereins Opferperspektive tagtäglich. Gemeinsam mit Beratungsstellen in Frankfurt, Cottbus, Bernau und Strausberg unterstützen sie Betroffene rechter Angriffe. Eine Liste von 61 Fällen, die bei der Opferperspektive seit Jahresbeginn neu aufgenommen wurden, umfasst alle, die nicht ins rechte Weltbild passen.

Zum Beispiel Neil D., Asylbewerber aus Sierra Leone. In der Nacht zum 16. August wurde er im Stadtzentrum von Prenzlau von drei Rechtsextremisten zunächst rassistisch angepöbelt, dann mit einem Schlagring ins Gesicht getroffen und schließlich mit Fußtritten und einem Knüppel zu Boden geschlagen. Obwohl mehrere Autofahrer vorbeifuhren, schritt niemand ein. Für Neil D. ist der Albtraum damit nicht zu Ende. Eine Woche nach der Festnahme der drei Angreifer wurde er von deren Gesinnungsgenossen mit den Worten: „Du bist Schuld, dass unsere Freunde im Knast sitzen“ auf offener Straße bedroht. Sein größter Wunsch, aus Prenzlau wegverlegt zu werden, ist bislang im Kompetenzwirrwarr der Ausländerbehörden untergegangen.

Ganz oben auf der rechten Hitliste finden sich nach wie vor auch linke und nichtrechte Jugendliche. Zum Beispiel in Bad Liebenwerda, wo am 8. Mai Rechtsextremisten eine Gruppe von alternativen Jugendlichen im Stadtzentrum angreifen. Ein mit Neonazis voll besetztes Auto überfährt dabei vorsätzlich zwei Jugendliche. Beide Opfer kommen mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus.

Eine grenzenlose Brutalität legten auch die Angreifer an den Tag, die am ersten Augustwochenende in Ludwigsfelde einen ehemaligen mosambikanischen Vertragsarbeiter zusammenschlugen und ihr Opfer nackt auszogen. „Ein fremdenfeindlicher Hintergrund der Tat kann nicht ausgeschlossen werden“, heißt es in einer anschließenden Mitteilung des Polizeipräsidiums Potsdam. Ein Standardsatz, der auch im Fall des tödlichen Angriffs auf den jungen Russlanddeutschen Kayrat B. zentral ist. Der 24-Jährige starb am 23. Mai an schweren inneren Verletzungen, Folgen eines Angriffs von drei jungen Männern in Wittstock.

Unsicherheit herrscht auch bei nichtdeutschen Imbissbetreibern, nachdem im April unter anderem in Perleberg und Wittenberge Brandanschläge auf Dönerstände verübt wurden.

Die Statistiken hätten ohnehin nur eine begrenzte Aussagekraft, sagt Claudia Luzar von der Opferperspektive „Wir wissen aus Erfahrung, dass sich längst nicht alle Opfer rechtsextremer Gewalt melden“, so Luzar. „Die Dunkelziffer ist sehr hoch.“ HEIKE KLEFFNER

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