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Die Wiederholungstäterin

Justizsenatorin Karin Schubert (SPD) kündigt per Zeitungsinterview Gefängnisneubau in Brandenburg an. Das widerspricht dem Koalitionsvertrag – und deshalb will Schubert das nun nicht so gemeint haben. Nicht die erste Luftnummer der Senatorin

von PLUTONIA PLARRE

Es war nicht gerade ein Ruf von Professionalität, der Karin Schubert (SPD) vorauseilte, als die langjährige Justizministerin von Sachsen-Anhalt zu Jahresbeginn als Justizsenatorin an die Spree kam: Sie sei chaotisch und unberechenbar, ihre Fähigkeiten würden hemmungslos überschätzt, ließen Leute wie der frühere CDU-Justizminister von Sachsen-Anhalt, Walter Remmers, verlauten. Damals sah es so aus, als handele es sich bei der Kritik um die Retourkutsche eines abgehalfterten CDU-Ministers. In den acht Monaten, die Karin Schubert inzwischen für die Geschicke der Justiz an der Spree verantwortlich ist, scheint sich diese Einschätzung aber bereits bestätigt zu haben.

Nach außen hin macht die 58-jährige Karin Schubert den Eindruck einer Frau, die weiß, was sie will, und nicht auf den Mund gefallen ist. In Fachkreisen nimmt man über die Senatorin aber längst kein Blatt mehr vor den Mund: „Sie ist absolut unberechenbar“, verlautet aus gut informierten Kreisen. „In der Justizverwaltung beginnt das große Zittern, wenn Schubert mit Journalisten spricht, weil die Gefahr besteht, dass sie sich verplappert oder das Falsche sagt.“

Der jüngste Vorfall hatte gestern im Rechtsausschuss des Abgeordnetenhauses ein Nachspiel. Auslöser war ein Interview, dass Schubert dem Berliner Kurier über einen Gefängnisneubau im brandenburgischen Großbeeren gegeben hatte. Es handelt sich dabei um einen Plan aus Zeiten der großen Koalition. Mit einem Knastneubau in Brandenburg hatten CDU und SPD das Problem der Überbelegung der Berliner Männerhaftanstalten lösen wollen. PDS und SPD haben das Vorhaben in ihrer Koalitionsvereinbarung aber beerdigt: „Die Justizvollzugsanstalt bei Großbeeren wird in dieser Wahlperiode nicht gebaut“, heißt es. Im Widerspruch dazu steht Schuberts Aussage im gestrigen Kurier: „Ich bin der Auffassung“, so die Senatorin wörtlich, „dass ein Gefängnis in Großbeeren errichtet werden sollte.“ Deshalb sollten die Planungsarbeiten dort bis Ende dieser Legislaturperiode im Jahre 2006 beendet sein, damit dann sofort mit dem Bau begonnen werden könne.

Nicht die PDS, sondern der rechtspolitische Sprecher der Grünen Volker Ratzmann war es, der Schubert gestern im Rechtsausschuss zur Rede stellte. Mit Erstaunen, so Ratzmann, habe er zur Kenntnis genommen, dass die Justizsenatorin den Knastneubau in Großbeeren vorantreibe, obwohl sich das Abgeordnetenhaus mit den Stimmen von SPD, PDS und Grünen im Frühjahr aus Finanzierungsgründen eindeutig gegen das Projekt ausgesprochen habe. Schuberts Antwort: Das Interview im Kurier sei sinnentstellt wiedergegeben worden. Tatsächlich habe sie sich nur unter der Bedingung zu einem Neubau bekannt, dass die Gefangenenzahlen weiter ansteigen würden. Solange liege die Planung selbstverständlich auf Eis. Das sei vom Kurier aber einfach weggestrichen worden.

Kurier-Autor Ronald Gorny faxte der taz als Gegenbeweis jedoch die von Schuberts Pressesprecher autorisierte Interview-Fassung. Diese stimmt wortgetreu mit dem Text im Kurier überein.

„Das war eine von Schuberts typischen Luftnummern“, heißt es in Justizkreisen. Andere Beispiele aus der Vergangenheit gibt es zuhauf: Schubert kündigt vollmundig an, dass sie Berliner Gefangene nach Brandenburg verlegen lassen will, um die vollen Knäste zu entlasten. Das ist aus humanitären und vollzugsrechtlichen Gründen aber nicht so ohne weiteres möglich. Einen noch größeren Korken fabrizierte sie, als sie in einer Zeitung ankündigte, dass es demnächst bei führenden Managern der Bankgesellschaft Durchsuchungen geben werde. Die Kripo, die kurz darauf wirklich bei Landowsky und Co durchsuchte, war entsetzt. Mit der Absetzung des Generalstaatsanwalts beim Landgericht Hansjürgen Karge lag sie in der Sache zwar richtig, war aber nicht in der Lage, die Schwächen des Generals in angemessener Form zu kommunzieren.

Auch die taz hat Erfahrung mit Schuberts Luftummern. Im Februar in einem Interview nach ihrem Eindruck von Tegel gefragt, erzählte die frisch gebackene Senatorin lang und breit von ihrem ersten Besuch im Männerknast. In der autorisierten Fassung hieß es auf einmal, sie sei noch nie Tegel gewesen. Einen anderen Frage-und-Antwort-Komplex, in dem es um die Überprüfung der Senatoren auf Stasi-Mitarbeit ging, strich sie beim Autorisieren einfach komplett weg. Das Interview wurde nie gedruckt.

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