: Wahlkampf am Tresen
Klaus Wowereit zieht in der Hamburger Schwulenszene von Kneipe zu Kneipe. Er gibt sich trinkfest und locker, die Schwusos aber sind aufgeregt. Und eine Horde Journalisten klebt an ihren Fersen
von PETER AHRENS
Es ist Mitternacht, die Journalisten sind müde, und Klaus Wowereit ordert das nächste Bier. Der Regierende Bürgermeister ist hier allerdings für niemanden Klaus Wowereit, er ist „der Wowi“. Vor Stunden hat er noch für die SPD am Hamburger Jungfernstieg Wahlkampf gemacht und bei den alten Genossen mit den Prinz-Heinrich-Mützen auf dem Kopf für das Lebenspartnerschaftsgesetz geworben. Jetzt fühlt er sich wohler, hier im Schwulen- und Bahnhofsviertel St. Georg. Offiziell ist diese Kneipentour mit Wowereit auch ein Wahlkampftermin, doch bei der mittlerweile vierten Kneipenstation hat der Bürgermeister „auch keine große Lust mehr, eine politische Rede zu halten“. Stattdessen macht er an der Theke Basisarbeit.
Um 21 Uhr geht’s los. Mit einem Medientross im Schlepptau rauscht Wowereit in die G-Bar, einen bekannten Schwulentreff. Er ist auf Einladung der Hamburger Schwusos, der Schwullesben der SPD, in der Stadt. Die hatten auch die Idee für den Zug durch die Gemeinde, und jetzt scharen sie sich in T-Shirts mit der Aufschrift „Stoiber verhüten“ um Wowereit, ganz aufgeregt, dass der Bürgermeister tatsächlich gekommen ist. Zur Begrüßung gibt es Kir Royal, Wowereit greift gleich zweimal zu und sagt ein bisschen was über „diesen Satz, den ich im Vorjahr mal gesagt habe“. Immer wieder wird er an diesem Abend die Geschichte von seinem Outing zum Besten geben, sich artig bedanken für die Unterstützung, „die ich auch gerade aus Hamburg dafür bekommen habe“.
Vier Lokalitäten stehen an diesem Abend auf dem Programmzettel. Der Ablauf ist immer derselbe: Wowereit kommt rein, sagt ein paar Worte, bekommt etwas zu trinken und setzt sich irgendwo an einen Tisch, um zu plauschen. Sofern das geht, wenn Kameraleute und Schreiber drumherum stehen. Der Bürgermeister bemüht sich trotzdem um Lockerheit, er erzählt Schwänke aus dem Berliner Regierungsleben, davon, dass er sich bei Staatsbesuchen gern die Ehefrauen von Senatoren ausleiht, um das offizielle Damenprogramm zu gestalten. „Da hat mein Freund keine Lust drauf, der macht eh nur die offiziellen Termine, die ihm Spaß machen.“
Wenn er meint, dass die Presse nicht hinhören sollte, tuschelt er ein bisschen mit seinem Sitznachbarn, nicht ahnend, dass der ein bekannter NDR-Reporter ist, der dadurch in den Genuss von ein paar Exklusivanekdötchen kommt. Zwischendurch spricht er den Journalisten noch einen Kommentar zum Hamburger Innensenator Ronald Schill ins Mikro, der mit Wowereit nur das eine gemeinsam hat: Dass beide den Ruf haben, abends nicht arg früh ins Bett zu gehen. Hier in St. Georg lässt sich Schill kaum blicken: Für ihn war der Stadtteil als „Drogenmekka“ nur Wahlkampfinstrument, der Richter Gnadenlos feiert seine Partys lieber an der anderen schicken Alsterseite.
Die Community ist vom Auftritt des Regierenden angetan, „hallo, Wowi“ hier, „hallo, Wowi“ da. „Endlich mal einer, der Gesicht zeigt“, sagt ein Stammgast. Deswegen ist es ihm auch egal, ob Wowereit nur eine medienwirksame Politshow abzieht oder nicht. „Hauptsache, er ist solidarisch. Und Guido Westerwelle hätte eine noch viel größere Inszenierung hingelegt.“
Mittlerweile ist der Tross kleiner geworden und bei der Schlussstation, dem „Bellinis“ angekommen, einem der Lokale, in denen sich auch die schwule Hamburger Politprominenz ab und an sehen lässt. „Ich bin ein Bellini“, kalauert Wowereit, und dann ist es auch Mitternacht. Wowi ist immer noch fit, der Zug nach Berlin fährt erst am Morgen um acht Uhr. Wo er übernachtet? „Das verrate ich Ihnen nicht“, sagt er den Presseleuten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen