ISRAEL WILL ARAFAT STÜRZEN – ABER DIE BELAGERUNG STÄRKT IHN NUR
: Ein Feindesdienst

Jassir Arafat wird von Ariel Scharon gejagt. Was bei früheren Anlässen einleuchtend erschien, muss diesmal hinterfragt werden. Denn einerseits hatte der Palästinenserführer wiederholt zu einer Einstellung der Gewalt aufgefordert – anderseits haben nicht etwa die Kämpfer der Fatah-nahen Al-Aksa-Brigaden die Militäroperation ausgelöst, sondern die extremistischen Islamisten. Dschihad und Hamas haben die Verantwortung für die jüngsten Anschläge übernommen, mit denen sie unter anderem den Tod des Hamas-Kommandanten Salah Schehade aus Gaza vergelten wollten. Dennoch waren die beiden fundamentalistischen Bewegungen offenbar nicht Gegenstand der Regierungsdebatte über mögliche Gegenschläge.

Ein Mangel an Alternativen mag ein Grund für die Militäroperation sein. Schließlich verfügen weder Hamas noch Dschihad über Verwaltungsgebäude, die sich für eine Umzingelung und Bombardierung anböten. Der Ruf der extremen Rechten in der Jerusalemer Regierung nach einem Landesverweis für Arafat mag den Premierminister zudem zu der Belagerung in Ramallah bewogen haben. Welche Gedankengänge auch immer hinter seiner Entscheidung standen – die Operation mit dem plastischen Namen „Eine Frage der Zeit“ soll ein weiterer Schritt sein, um Arafat von seinem Führungsposten herunterzuholen. Und zwar nicht auf demokratische Art, sprich per Wahlen, wie sie für den kommenden Januar geplant sind, sondern mit Gewalt. Die Folgen kann niemand absehen, sollte dieser Wahnsinnsplan tatsächlich gelingen.

Die israelische Regierung beweist mit ihrem Vorgehen einmal mehr, dass sie die bei ihrem Konfliktpartner herrschenden Spielregeln noch immer nicht beherrscht. Nie zuvor hatte es klarere Anzeichen für einen nahenden Führungswechsel gegeben wie in den vergangenen Tagen. Doch statt der Geschichte ihren Lauf zu lassen, hilft Israel dem Palästinenserpräsidenten und gibt ihm politische Rückendeckung, indem sie ihn zum Feind Nummer eins erklärt. Wer sollte beim palästinensischen Volk größere Sympathien genießen?

SUSANNE KNAUL