: „Spaß ist nicht relevant“
Der Chef des Hamburger Scholz-&-Friends-Büros Marc Schwieger über die gelungene grüne Kopie der Brandt-Kampagne und die kommunikativ reizvolle Niederlage der FDP
taz: Herr Schwieger, welcher Slogan hat die Wahl gewonnen?
Marc Schwieger: Keiner. Wenn überhaupt etwas die Wahl werbetechnisch beeinflusst hat, dann die Entscheidung der Grünen, ganz auf Joschka Fischer zu setzen. Damit haben sie die Strategie der Kampagne für Willy Brandt erfolgreich kopiert.
Das Lieblingswort aller Wahlplakat-Texter war laut „Financial Times Deutschland“ seit 1949 „Deutschland“. Warum fehlte das in diesem Jahr?
Das hat damit zu tun, dass die Rolle Deutschlands in der Welt sich normalisiert hat – wie auch immer man das findet. Patriotismus braucht nicht mehr mit Plakaten geweckt zu werden.
Welchen Werbeeffekt hatten die „Duelle“ im Fernsehen?
Die Duelle hatten nur trendverstärkenden, keinen trendentscheidenden Effekt. Möglicherweise haben sie zu Stimmenwechseln von der CDU zu den Grünen geführt, weil Stoiber durch seine Auftritte Ressentiments im eher aufgeklärt-wechselwählenden Lager geweckt hat.
Welchen Einfluss hatte die Wahlwerbung von Nichtpolitikern, etwa die „Zweite Halbzeit“-Kampagne „Wir für Schröder“ von Leuten wie Iris Berben oder Jürgen Flimm?
Es haben eben alle versucht, an die Kampagnen für Willy Brandt anzuknüpfen – die üblichen Verdächtigen aus der Kulturszene bloß weniger erfolgreich als die Grünen. Allerdings ist es der CDU überhaupt gar nicht gelungen, im Intellektuellen-Milieu zu punkten. Das wäre mit Angela Merkel anders gewesen.
Was ist das werbetechnisch interessanteste Ergebnis?
Das Wahldebakel der FDP ist mit Sicherheit kommunikativ am reizvollsten. Die Liberalen haben es schlicht nicht geschafft, mit Spaß und Jugend zu reüssieren.
Das müsste doch einen Werber eher depriminieren.
Überhaupt nicht. Werbung funktioniert ja nicht über Spaß, sondern über eine relevante Positionierung. „Spaß“ war keine relevante Plattform, denn Politik ist das letzte Ressort für Ernsthaftigkeit. Die Plakate der FDP, schwarz-weiß, mit Wirtschaftsthemen, zeigen, dass die FDP das gemerkt hat. Aber es war zu spät. Das Rezept, den Hedonismus der 90er-Jahre in die Politik zu verlängern, hat nicht funktioniert.
INTERVIEW: ULRIKE WINKELMANN
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