: Befruchtung am Theater
Mit der Ausstellungsreihe „Transit“ wird die Bildende Kunst ins Bremer Theater getragen
Beim Betreten des Foyers weht dem Besucher ein frischer Luftzug um die Nase. Der kommt von rechts, wo ein Wald aus Bildern leicht schaukelt. Großformatige Fotos hängen an Bindfäden von der Decke, vor-, hinter-, und übereinander. Ein bisschen, als wenn sie noch nicht trocken wären und leise abtropfen müssten.
Auftakt der neuen Kunst-Reihe „Transit“ im Schauspielhaus: Eine Stunde vor der Kirschgarten-Premiere am kommenden Freitag wird die Ausstellung „You will find me if you want me in the garden unless it‘s pouring down with rain“ von Herwig Gillerke eröffnet.
Gillerkes Arbeiten entstehen auf Streifzügen durch die Nacht, wo er sich verkleidet und sich und die Orte zu surrealen Motiven inszeniert. In die fertigen Abzüge ritzt er kurze Abschnitte aus Songtexten von Tom Waits, Velvet Underground und anderen ein: „SHORT PEOPLE GOT NO REASON TO LIVE“ ist da beispielsweise zu lesen, darunter ist eine Wäscheleine abgebildet, die im Nirgendwo zu hängen scheint, über gelb angeleuchteter Wiese. Gillerke inszeniert kleine Szenen voll nächtlichem Glamour zu den meist dramatischen und plakativen Textstücken. Als hätte er Filmstills aus Musikvideos erzeugt.
Das passt zum Theater: mit der quasi szenischen Kombination aus Bildern und Texten und der Zusammenstellung zur Rauminstallation wird auch das Kirschgartenpublikum etwas anfangen können. Eine gute Eröffnung der Kunst-Reihe „Transit“, die das Bremer Theater in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für aktuelle Kunst und der Hochschule für Künste ausrichtet. „Wir gehen mit dem Theater nach draußen, laden aber auch gerne ein“, sagt Joachim Klement, Chefdramaturg am Bremer Theater. ‚Befruchtung‘ heisst das Zauberwort, und zwar gegenseitige. Professor Guiton von der Hochschule will der Kunst ein neues Publikum bieten. Dass die Kunst mit einem vorgefundenen Raum korrespondieren müsse, findet er gerade reizvoll.
Zu jeder Premiere soll eine neue Ausstellung mit thematischer Verbindung eröffnet werden, als nächstes wird dies der Künstler Jean-François Guilton sein.
Bei der aktuellen Kombination sieht Klement die Verbindung in der Thematisierung von Identität. Wird im Kirschgarten ein Wald als Symbol für eine gesellschaftliche Identität zerstört, zeigen sich in Gillerkes Bilderwald Stereotypen der Popkultur als multiple Möglichkeiten von Identität.
Ein Budget hat das Theater für die Ausstellungsreihe nicht, „wir fragen Leute, ob sie Lust haben hier etwas zu machen“, sagt Klement. Wer das nach Guilton sein wird, steht noch nicht fest. Man darf gespannt sein, zunächst auf die Resonanz beim Premierenpublikum am Freitagabend.
Lene Wagner
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen