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Mit Großmarokko auf Stimmenfang

In Marokkos Vorwahlwoche dreht sich bei der Regierung alles um die „Wiederherstellung der territorialen Einheit“

MADRID taz ■ Marokkos Regierung hat ihr Wahlkampfthema entdeckt. Um bei den Wahlen am kommenden Freitag das Scheitern in der sozialen Frage vergessen zu machen und um die Wähler bei der Stange zu halten, spielt die Regierung des Sozialisten Abderrahmane Youssoufi die nationalistischen Karten. 56 Jahre nach der Unabhängigkeit ist wieder vom „Kolonialismus“ und der „nationalen Einheit Marokkos“ die Rede. „Die Wiederherstellung der territorialen Einheit Marokkos ist die absolute Priorität für König Mohamed VI. und das marokkanische Volk“, beteuerte Außenminister Mohamed Benaissa in einer Rede vor der UN-Vollversammlung.

Zum Hauptgegner wird dabei das Nachbarland Spanien erklärt. Nach der gescheiterten Besetzung der Petersilieninsel durch marokkanische Soldaten im zurückliegenden Sommer ist der Fels jetzt erneut in die Schlagzeilen der marokkanischen und auch der spanischen Presse gerückt. Sagte doch der marokkanische Außenminister Mohamed Benaissa am Montag überraschend ein Treffen mit seiner spanischen Kollegin Ana Palacios ab.

Ein spanischer Militärhubschrauber sei auf der Insel gelandet und ein Militärflugzeug habe den marokkanischen Luftraum verletzt. Spanien bestreitet beides. Vielmehr habe sich ein marokkanisches Militärboot der Insel genähert, daraufhin habe man nach dem Rechten geschaut, allerdings ohne zu landen, heißt es aus Madrid. Auch das Flugzeug habe es gegeben. Allerdings gehörte es einem Reporterteam des spanischen Privatsenders Telecinco. In spanischen diplomatischen Kreisen wird vermutet, dass die Absage des Besuches von langer Hand vorbereitet war.

Es geht um mehr als die Petersilieninsel. Regierungschef Youssoufi fordert die Marokkaner seit dem Sommer immer wieder auf, „alles Erdenkliche zu tun, um die besetzten Städte Ceuta und Melilla zurückzuerobern“. Angesichts der Verhandlungen Spaniens mit Großbritannien über die Zukunft der Kronkolonie Gibraltar sei eine „Rückgabe von Ceuta und Melilla“ jetzt an der Zeit. „Ceuta und Melilla sind Ausdruck eines anachronistischen Kolonialismus“, beteuerte Außenminister Benaissa vor der UNO.

In Spanien wird das anders gesehen. Die beiden an der nordafrikanischen Küste gelegenen Städte kamen im 15. beziehungsweise 16. Jahrhundert zu Spanien, lange bevor das Königreich Marokko in seiner jetzigen Form entstand. Gibraltar hingegen musste von Madrid nach einem verlorenen Krieg an Großbritannien abgetreten werden. Gibraltar gehörte also einst tatsächlich der spanischen Krone.

Mit Ceuta und Melilla ist nicht genug. Die marokkanische Politik träumt von einem Großmarokko „vom Atlantik bis zum Senegalfluss“, der heutigen Südgrenze Mauretaniens. Nach dieser Doktrin müsste Spanien auch die Kanarischen Inseln abtreten. Als Begründung für deren Marokkanität muss neben der geografischen Lage die Tatsache herhalten, dass die Inselgruppe einst von Berbern, den Ureinwohner Nordafrikas, bewohnt war. REINER WANDLER

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