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Angeschlagen, aber noch im Ring

Taktierer bei der Arbeit: Nach monatelangen Querschlägen hält Jürgen W. Möllemann FDP-Chef Westerwelle wieder die Hand hin. Sein Amt in NRW hat er ja noch – und das will er behalten. Gegner hat er genug. Ob die sich aber durchsetzen, ist offen

aus Düsseldorf PASCAL BEUCKER

Am Tag danach versuchte sich Jürgen W. Möllemann in liberaler Diplomatie. Gemeinsam mit Guido Westerwelle wolle er wieder ein „wahlpolitisches Dream-Team“ bilden, verkündete der Noch-Landesvorsitzende der nordrhein-westfälischen FDP gestern. Von seiner Kritik an Ariel Scharon und Michel Friedman nahm er zwar nichts zurück, sagte aber: Er sehe ein, dass die Postwurfsendung kurz vor der Wahl ein „schwerwiegender Fehler“ gewesen sei – zumindest „aus dem Blickwinkel von heute“. Mehr als diesen „punktuellen Dissens“ stehe nicht zwischen ihm und dem Parteichef, mit dem er weiter „Hand in Hand“ am Projekt 18 arbeiten wolle: „Das hat einen Rückschlag erlitten, aber bleibt unser Projekt.“

Möllemann ist angeschlagen. Vor dem drohenden Knock-out versucht sich der Examateurboxer jetzt im Klammern, um den Schlägen seines Widersachers zu entgehen. In der Nacht zum Dienstag hatte sich das noch anders angehört. Mit aller Macht werde er sein Amt als NRW-Vorsitzender verteidigen. „Ich werde kämpfen mit jeder Faser, die mir zur Verfügung steht“, versprach er. Seine Gegner, die nach seinem erzwungenen Rücktritt als Vizechef der Bundes-FDP nun auch seinen Abtritt von der Landesbühne fordern, hatte er zuvor übertölpelt. Sie hatten mit einem Sonderparteitag drohen wollen, wenn er nicht freiwillig geht. Möllemann kam ihnen zuvor, beantragte ihn selbst: Am 7. Oktober soll die Basis über seine politische Zukunft abstimmen.

Ob Möllemann das überstehen wird, ist völlig offen. Die Stimmung in den Kreisverbänden ist gemischt. Und obwohl die Bundesspitze und die meisten NRW-FDPler auf Bundesebene seine Ablösung wollen, hat Möllemann nicht nur die große Mehrheit der Landtagsfraktion auf seiner Seite, sondern kann gewichtige Argumente vorbringen: Mit 9,3 Prozent der Stimmen holte die FDP bei der Wahl in NRW knapp zwei Prozent mehr als im Bundesdurchschnitt. Anders als im Bund blieben die Liberalen an Rhein und Ruhr außerdem drittstärkste Kraft.

Dann ist da noch die Erinnerung an die 90er-Jahre, das tiefe Tal der Tränen der NRW-Liberalen. Schon einmal schickte die Landespartei Möllemann nach permanenten Querschüssen gegen den seinerzeitigen FDP-Bundesvorsitzenden in die Wüste. Im Herbst 1994 zwang ihn der Landesvorstand zum Rücktritt und berief einen Sonderparteitag ein, auf dem Möllemann endgültig vom Vorsitz verdrängt wurde. Im Mai 1995 flog die FDP aus dem Landtag. 1996 holte sie den Verstoßenen reumütig zurück.

Möllemanns Herausforderer heißt Andreas Pinkwart. Sein bisheriger Vize ist Betriebswirtschaftsprofessor in Siegen und zu einer Kampfkandidatur bereit. „Ich habe meinen Hut in den Ring geworfen, um deutlich zu machen, es gibt Alternativen“, erklärte Pinkwart. Das Problem: Der 42-Jährige ist außerhalb seiner Partei weithin unbekannt.

Möllemanns zweite Stellvertreterin versucht zu vermitteln: „Ich bin sehr unzufrieden damit, was wir hier veranstalten“, sagte Ulrike Flach zur taz. Noch am Abend nach der Lektüre des Stern korrigierte sie ihre Haltung. Möllemann ist dort mit den Worten zu Westerwelle zitiert: „Er hat schwere strategische Fehler gemacht und sich nicht getraut, Führung zu zeigen, Themen zu setzen und die dazu passenden Figuren nach vorn zu schieben … Westerwelle ist einfach zu dünn.“ Während Möllemann das Zitat als „frei erfunden“ bezeichnete, nahm Frau Flach es zum Anlass, jede weitere Vermittlung einzustellen.

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