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Scrabble im Sparmodus

Heute läuft im Hessischen Rundfunk wieder die „günstigste Sendung im deutschen Fernsehen“. Trotz Kultstatus hat sie bei anderen ARD-Programmen aber keine Chance auf einen Sendeplatz

von JUTTA HEESS

Roberto Cappelluti, das sind 32 Punkte. Ein Scrabble-Spiel hat allerdings nur ein P, eigentlich müsste man das zweite P im Namen des Moderators durch einen Blanko ersetzen, dann hätte er nur noch 28 Punkte. So genau nimmt man es aber nicht in der Redaktion von „Late Lounge“, die sich mittlerweile mehrere Scrabble-Ausgaben angeschafft hat. Schließlich müssen auch die Gäste irgendwie beschriftet werden – mit Hilfe eines Buchstabenbänkchens auf dem Moderatorentisch.

Die Idee mit den Hölzchenlettern ist aus der Not geboren: „Wir haben keinen Schriftgenerator“, erklärt Cappelluti. Seit dreieinhalb Jahren ist er das Gesicht zur „Late Lounge“, der „preisgünstigsten Sendung im deutschen Fernsehen“. Mit einem Jahresbudget von einer halben Million Euro bespielt die vierköpfige Redaktion die werktäglichen Sendeplätze im Hessen-Fernsehen nach 22.30 Uhr. Mit Cartoons, Serien und Spielfilmen, von „Raumpatrouille Orion“ zum John-Wayne-Western – alles Liebhaber-Zeugs, ein bisschen kultig, ein bisschen retro und oft ein bisschen daneben.

„Late Lounge ist eine schräge, crazy Sendung.“ Sein Büro, in dem Roberto Cappelluti das sagt, ist nicht weniger schräg und crazy: ein kleiner Baucontainer. Seit Beginn der „Late Lounge“ ist die Redaktion auf dem HR-Gelände in Frankfurt provisorisch untergebracht. Und auch das Studio hat den Charme des Vorübergehenden. „Late Lounge“ findet im Keller statt, zwischen ausrangierten Kulissen. Hierhin wird jeden Montag ein Gast gelotst, mit dem Cappelluti eine Dreiviertelstunde talkt. „Am Anfang war es schwer, halbwegs bekannte Leute zu bekommen“, sagt Cappelluti. Mittlerweile kann sich die Gästeliste jedoch sehen lassen: Dieses Jahr sind unter anderen Christoph Schlingensief, Jasmin Tabatabai, Lilo Wanders und Badesalz da gewesen. Und so albern wie beim hessischen Komikerduo geht es auch in der Show zu: Vor zehn Studiogästen müssen die Promis mit „Schlappmaul Cappelluti“ (Zuschauerurteil bei einer Umfrage) plaudern und beknackte Spiele machen, ähnlich wie bei „Zimmer frei“ im WDR, und können sich dabei inszenieren – oder blamieren. Guido Westerwelle zum Beispiel war sich nicht zu doof, auf „Eins, zwei oder drei“-Feldern herumzuhampeln, und Gina Wild wusste nicht, woraus Sperma in Pornofilmen besteht.

Mit solchen Szenen erfüllt „Late Lounge“ den Programmauftrag, nämlich dem eher ältlichen Publikum des Hessen-Fernsehens jüngere Zuschauer beizumischen. Zwischen 30 und 35 Jahren seien die „Late Lounge“-Gucker, darunter viele Stammseher, erklärt Cappelluti. „Nur der späte Sendplatz erlaubt uns, dieses Format zu machen“, weiß der 36-Jährige. Kurze Zeit bestand die Chance, dass auch in Berlin bald zu vorgeschrittener Stunde geloungt werden könnte. Doch sie schwindet: „Wir haben gerade mit ORB und SFB verhandelt, ob Teile des Programms übernommen werden“, sagt Cappelluti. „Die Gespräche sind stecken geblieben, man habe nicht das richtige Publikum, hieß es.“

Ein Argument, das den gebürtigen Italiener ärgert. „Wie soll man neue Zielgruppen erreichen, wenn man nichts riskiert? Der Zuschauer wird doch ständig unterfordert. Raab und Volksmusik – da wird mir schlecht.“ Doch dass man mit einem derart abgetrashten Format wie „Late Lounge“ nicht die Masse vor den Bildschirm bekommt, sieht er ein. Deshalb soll es im nächsten Jahr einige Änderungen: „mainstreamiger“, sagt Cappelluti. Die eingefleischten Fans wird das nicht freuen. Doch Cappelluti beruhigt: „Wir denken zum Beispiel an ein zusätzliches schräges Rateformat.“ Ganz im Late-Lounge-Sparmodus: „Zu gewinnen gibt es dabei sicher nichts, höchstens Punkte zum Aufblasen.“

„Late Lounge“ beginnt heute um 0.10 Uhr im HR und zeigt um 0.40 Uhr ein Double Feature zu Yves Montand. Am Montag ist Wiglaf Droste Studiogast.

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