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Kampf dem Dornröschenschlaf

Drei Jahre lang feierte die Stadt das 200. Jubiläum der Wallanlagen mit einem höchst erfolgreichen Kulturprogramm. Nun droht der gerade wachgeküsste Kulturort wieder in Dauerschlaf zu sinken. Verzweifelt gesucht: Ein Prinz mit viel Kohle

Sondergeld: „Wir haben ein Interesse daran, dass es im Wall weitergeht.“

Die Geburtstagssause ist zu Ende. Drei Jahre lang hat die Stadt ihre 200 Jahre alten Wallanlagen hochleben lassen. Für 14 Millionen Mark wurden die ehemaligen Wehr-Anlagen zum Kulturstandort umgebaut und umfunktioniert. So entstand, was anfangs niemand für möglich gehalten hatte, eine Open-Air-Bühne mitten in der City. Doch die frisch etablierte Spielstätte rund um die Seebühne droht wieder in Dornröschenschlaf zu verfallen, wenn es kein Geld für die nächste Saison gibt.

Denn: Das Geld nach der Geburtstagsparty ist alle. Bis zum nächsten Jubiläum – dem 250. Geburtstag – könne man doch unmöglich den mit viel Mühe zum Leben erweckten Kulturort wieder verfallen lassen, klagt Thomas Hindersmann von Stadtgrün. Hindersmann hatte den Wall-Geburtstag organisiert und seine Bilanz nach drei Jahren und 73 Aufführungen in dem alten Garten fällt überaus positiv aus: Das Kulturpublikum strömte mitunter in Massen in die historischen Wallanlagen.

„Wir haben es geschafft, ein Bewusstsein für die schönsten und am besten erhaltenen Anlage in Europa zu schaffen“, erklärt Hindersmann. „Jetzt kann man doch nicht einfach das Licht ausknipsen.“ 460.000 Menschen haben sich die Wall-Veranstaltungen angesehen. Mit so vielen hatte vor drei Jahren niemand gerechnet. 50.000 Besucher hat dabei allein die Feuer-Installation „Carabosse“ angelockt.

„Am Anfang hatten wir nur wenig Mitgläubige“, erinnert sich Gundula Latanza von der gleichnamigen Agentur, die das Kulturprogramm organisiert hat. Von Stadtgrün, also von Gärtnern und Landschaftsplanern, „hatte Bremens gesamte Kulturszene sowas nicht erwartet.“ Zur Freinacht kamen sogar so viele Besucher, dass man den Zulauf in den Wall begrenzen musste, um das alte „Gartendenkmal“ nicht zu gefährden. Auch die Bremen Marketing GmbH war überrascht. „Das lief zwar langsam an. Aber dieses Jahr war absolute Spitze“, erklärt Geschäftsführer Klaus Sondergeld.

So spitze, dass man was tun müsse, um Bremens neuen Kulturstandort auch im nächsten Jahr wieder mit Programm zu füllen. „Wir haben ein Interesse daran, dass es im Wall weitergeht“, sagt Sondergeld. Er wünscht sich, dass die alten Anlagen zum „dauerhaften Element für die Innenstadt entwickelt werden“. Denn – auch das hat man inzwischen gelernt – selbst Tagestouristen aus dem Umkreis sind zu den Wall-Attraktionen in die Hansestadt gereist. Allein: Die Zukunft der Wall-Kultur hängt am Geld. Drei Millionen Mark hatte das Umweltressort in den letzten drei Jahren gezahlt und durchschnittlich 25 Stadtgrün-Aktionen pro annum damit gesponsert. So viel, das ist abzusehen, wird es nicht mehr geben. „Von vier bis fünf Veranstaltungen im Jahr“ spricht Hindersmann vorsichtig. Aber: „Für jeden Euro mehr, könnte man ein Kulturwochenende schon früher beginnen lassen.“

Derzeit laufen Gespräche mit dem Umweltressort, der Bremen Marketing GmbH, und auch Kultursenator Böse soll noch um Unterstützung gebeten werden. Zum einen könnte es auf der Seebühne ein kleines aber feines Programm mit der Musikerinitiative und Radio Bremen geben. Jazz- und Klassikkonzerte kann sich Hindersmann vorstellen. Rocknächte mit tausenden Besuchern dagegen nicht – das passe nicht in die sensible Landschaft. Zum anderen sollen aber auch einige Großveranstaltungen überregional beworben werden. Ideen dafür gibt es jedenfalls genug. Auch wenn es keine Neuauflage von „Carabosse“ geben wird: ähnliche Spektakel für die Wallanlagen gibt es. Nur – sie müssen bald gebucht werden.

Dorothee Krumpipe

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