: Herrliche Berge – hehre Ziele
Schweizer Banken erklimmen Investment-Gipfel: Die Eidgenossen sind im Feld der nachhaltigen Geldanlagen auch ohne gesetzliche Vorgaben bereits vielen anderen Ländern um einiges voraus
Nach Angaben des UN-Wissenschaftsrates für Klimafragen, dem IPCC, ist die malerische Schweiz von den Folgen eines weltweiten Klimawandels besonders stark betroffen: Hochwasser, Lawinenabgänge, Sturmwind und Erdbewegungen könnten die Eidgenossen verstärkt heimsuchen. Betrachtet man die Alpenrepublik unter ökonomischen Gesichtspunkten, so gilt sie unter anderem aufgrund ihrer Stabilität, ihrer langen Bankentradition, ihrer Offenheit sowie einer traditionell starker Währung als ein weltweit anerkannter Finanzplatz.
Bei den von Schweizer Banken verwalteten Vermögenswerten von geschätzten 3.800 Milliarden Schweizer Franken und einem nicht erst seit dem verheerenden Brand bei Sandoz 1986 in Schweizerhalle sensibilisierten Umweltbewusstsein in der Bevölkerung erscheint das Alpenland mit seiner vielseitigen Bankenlandschaft geradezu prädestiniert für ein Investment, das auch soziale und ökologische Kriterien berücksichtigt. Die Schweiz ist sogar eines der führenden Länder in Europa bezüglich nachhaltigen Investments (social responsible investment, SRI). So waren es Schweizer Banken, die zu den ersten Finanzinstituten gehörten, die Kredite auch bezüglich potenzieller ökologischer Risiken untersuchten. Anfang der 80er-Jahre haben sich mit der Freien Gemeinschaftsbank BCL und der Alternativen Bank Schweiz (ABS) zwei Banken gegründet, die Kredite für ökologisch und sozial ausgerichtete Projekte vergeben. Die Gründung dieser beiden alternativen Banken mit ihrem anthroposophischen Hintergrund ist nicht zuletzt auf die traditionell starke Bürgerbeteiligung in der Schweizerischen Eidgenossenschaft zurückzuführen.
Mit der Credit Suisse war es dann eine Großbank, die den ersten „grünen“ Fonds auflegte und damit den Startschuss für nachhaltiges Investment gab. Mittlerweile gehören solche Nachhaltigkeitsprodukte zum Standardportfolio bei Schweizer Banken – so waren es Ende 2001 bereits 33 SRI-Fonds, die rund vier Milliarden Schweizer Franken verwalteten. 1997 waren es nocht zehn SRI-Fonds mit einem Volumen von rund 700 Millionen Franken. Das gesamte Volumen an nachhaltigem Investment inklusive Pensionsfonds, basierend auf nachhaltigen Kriterien, wird gar auf 7,4 Milliarden Schweizer Franken geschätzt.
Mit dem Angebot von Nachhaltigkeitsfonds gründeten sich in der Schweiz auch unabhängige Research Institute, die die zur Auswahl stehenden Unternehmen nach sozialen und ökologischen Kriterien untersuchen. Centre Info, Schweizer Partner der SiRi Group, zählte mit der Gründung 1990 zu den ersten unabhängigen Research-Agenturen in der Schweiz. Neben einer Reihe von unabhängigen Instituten, zu denen neben Centre Info unter anderem Ecos, Inrate und Covalence zählen, gibt es einen weiteren Trend bei den Schweizer Banken: Sie führen das sozial-ökologische Research für ihre Produkte selber durch. Dafür gibt es unter anderen bei der UBS, bei der Züricher Kantonalbank oder der Bank Sarasin eigene Abteilungen, die sich mit der nachhaltigen Performance von Unternehmen beschäftigen.
Folglich gibt es in der Schweiz – insbesondere im Vergleich mit Deutschland – eine vergleichsweise hohe Zahl von Nachhaltigkeitsanalysten. Manche Kritiker sehen zwar bei den Inhouse-Researchteams der Banken die unabhängige Untersuchung der Unternehmen gefährdet, da vor allem von den Großbanken Geschäftsbeziehungen mit den bewerteten Unternehmen unterhalten werden. In jedem Fall werden aber die Akzeptanz des Themas und damit auch das Interesse an nachhaltigen Investment durch eine aktive Rolle vor allem der Großbanken gesteigert.
Obwohl es in der Schweiz, anders als in anderen europäischen Ländern, keine Gesetzgebung gibt, die vorschreibt, ob und wie soziale und ökologische Kriterien bei Pensionsfonds berücksichtigt werden, sind die Eidgenossen auch in diesem Feld ihrer Zeit voraus: Seit 1997 gibt es Ethos, die Schweizerische Anlagestiftung für nachhaltige Entwicklung. Ethos wurde von zwei Genfer Pensionskassen gegründet und zählt zurzeit etwa 92 Pensionskassen als Mitglieder. Im Auftrag dieser Mitglieder verwaltet Ethos rund 750 Millionen Schweizer Franken nach finanziellen, sozialen und ökologischen Kriterien.
Zum Ziel der Anlagepolitik von Ethos gehört es, Unternehmen zu fördern, die zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen, und damit dem Markt entsprechende Signale zu geben. Ethos berät seine Stiftungsmitglieder auch bezüglich einer verantwortungsvollen Ausübung ihrer Aktionärsrechte. Da die verschiedenen Anlagensegmente der Ethos-Stiftung nur Schweizer Pensionskassen vorbehalten sind, gibt es für alle anderen Anleger seit 2000 die Möglichkeit, Anteile des auf Nachhaltigkeitskriterien basierenden Ethos-Fonds zu zeichnen. Mit diesem innovativen Konzept zeigt die Anlagestiftung, dass es nicht unbedingt Gesetze braucht, um Nachhaltigkeit in der Altersversorgung zu etablieren. Zu einer Vorreiterrolle auf dem Gebiet des nachhaltigen Investments in der Schweiz hat auch der Dow Jones Sustainability Index beigetragen, der 1998 von der Züricher SAM Group zusammen mit Dow Jones ins Leben gerufen wurde. Er weckt als erster nachhaltiger Aktienindex vor allem das Interesse konventioneller Investoren.
Laut einer Befragung von Fachleuten in der schweizerischen Sonntagszeitung vom 8. September dieses Jahres wird der Eindruck allgemeiner Börsenflaute und negativer Marktentwicklung den Trend zu nachhaltigen Geldanlangen noch verstärken, da Anleger nach diversen Bilanzskandalen vermehrt auf eine vertiefte und damit auch nachhaltige Unternehmensbewertung vertrauen. Auch Philippe Spicher, Direktor von Centre Info, geht von einem weiter wachsenden Interesse an nachhaltigem Investment in der Schweiz in den kommenden Jahren aus, da vor allem institutionelle Investoren die Vorteile von SRI als Langzeit-Investment schätzen lernen. Es wird erwartet, dass das Volumen an nachhaltigen Investments bis auf 11,1 Milliarden Schweizer Franken im Jahr 2003 ansteigt. Damit nimmt die Schweiz einen Spitzenplatz in Europa ein. CLAUDIA MAURITZ
Die Autorin ist Unternehmensanalystin bei der scoris GmbH, Hannover. www.scoris.de
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