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Eher links und gerne unterwegs

Die Grüne Jugend hat viel vor mit der jüngsten Abgeordneten aller Zeiten: Anna Lührmann soll Fraktionsvorsitzende werden, gerne zusammen mit Christian Ströbele. Die gibt sich zurückhaltend und auf der Suche nach einem Europa für die Jugend

aus Frankfurt am MainHEIDE PLATEN

Irgendwie passt sie da nicht mehr so richtig hin. Anna Lührmann (19) dreht ihren Kugelschreiber zwischen den Fingern und klopft leicht auf die Schulbank im Erdgeschoss der Wöhler-Schule im Frankfurter Stadtteil Eschersheim. Auch die Klassendirektive an der Wand ist nicht mehr so ganz ihr Stil: „Nicht mit Radiergummis werfen!“

Die jüngste Bundestagsabgeordnete aller Zeiten,die von Platz 5 der hessischen Landesliste fast unvermutet zum grünen Fraktionsmitglied wurde, passt bei ihrem ersten öffentlichen Auftritt nach der Wahl auf mit ihren Formulierungen. Dennoch soll sie, so lautet der Antrag S 1, der am Wochenende der 29. Bundesversammlung der Grünen Jugend vorlag, den Fraktionsvorsitz übernehmen, am liebsten zusammen mit dem Senior der Partei, Christian Ströbele. Ob das mehrheitsfähig wäre? Der eine ist mit seinem Direktmandat eher angetreten, um „Fischer zu quälen“. Die andere sieht wirklich noch sehr jung aus in der Riege alter Hasen und Häsinnen.

Anna Lührmann überlegt, braucht ihre Zeit für Antworten auf plakative Fragen. Sie müsse, sagt sie dann, erst einmal ankommen, sich „inhaltlich“ in der Bundeshauptstadt einfinden, ihre Themenschwerpunkte definieren. Dann seien die Koalitionsverhandlungen dran. Das sei alles wichtiger als die Personal- und sonstigen parteiinternen Probleme. Tina Gerts aus der Bundeszentrale hat die Routine längst drauf und übernimmt. Bei jeder Bundesversammlung der Grünen Jugend, sagt sie, gebe es eben „Spaßanträge“. Nichtsdestotrotz, Ströbele sei schon in Ordnung, denn „trotz seines hohen Alters“ arbeite der sehr viel mit den Jungen zusammen: „Wir verorten uns eher links.“

Spaß an der Politik, meint Anna Lührmann, wolle auch sie vermitteln. Ihre Generation sei pragmatisch auf schnelle Ergebnisse ihres Engagements aus. Klimaschutz zum Beispiel sei eine langfristige Sache, eine Solaranlage zu bauen ein kurzfristiger Erfolg auf einem langen Weg. Die Grüne Jugend, Höchstalter 28 Jahre, beendete ihren dreitägigen Kongress zum Thema „Wer regiert das Land?“ gestern Nachmittag jedenfalls ruhiger und weniger kontrovers als die Alten.

Die über 170 Mitglieder aus den Landesverbänden stimmten für die Absenkung des passiven auf 16, des aktiven Wahlalters auf 14 Jahre. Sie sprachen sich für die Legalisierung von Cannabis aus, votierten für mehr Transparenz und Bürgerbeteiligung in der Politik, für gerechtere Verteilung der Ressourcen, besseren Schutz der Umwelt, Abschaffung der Wehrpflicht, gegen den Einsatz deutscher Truppen im Irak und für die Beibehaltung der Trennung von Amt und Mandat.

Nebenan muss Tina Gerts während der Pressekonferenz daran erinnern: „Die Hauptperson hier ist Anna.“ Die, scheint es, trennt sich nur schwer von ihrem Landesverband. Hier, sagt sie, habe sie ihre Wurzeln. Den Leitantrag hat die ehemalige Landesvorsitzende noch mitformuliert, den Kongress vorbereitet, Politik schon als 13-Jährige gemacht. Auf Jugend-, also „Sozialpolitik“, will sie sich aber keinesfalls verlegen, sondern durch ihr Lebensalter nur „ein bisschen frischen Wind, einen anderen Stil“ ins Parlament bringen. Sie wird sich auf Europafragen spezialisieren und „für eine europäische Demokratie einsetzen“, mithelfen, ein Europa aus der Perspektive der Jugend zu schaffen: „Wir haben Freunde, wir reisen, wir studieren im Ausland.“ Das aber, hatte Tina Gerts am Anfang gesagt, sei manchmal durchaus ein Problem der Jugendorganisation mit ca. 4.000 Mitgliedern. Im Kreisverband Hamburg etwa herrsche Mitgliederflaute: „Ganz viele auf einmal sind ein Jahr im Ausland.“

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