: Werben um Ankara
Eine US-Gesandte und Iraks Vizepräsident halten sich in der Türkei auf. Die Regierung lehnt Militäraktionen gegen Bagdad ab und fürchtet die Kurden
aus Istanbul JÜRGEN GOTTSCHLICH
Im anhaltenden diplomatischen Ringen um einen Krieg gegen den Irak ist gestern die Türkei in den Mittelpunkt des Interesses gerückt. Fast zeitgleich trafen eine hochrangige US-amerikanische Delegation und der irakische Vizepräsident Tarik Asis in Ankara ein. Während die US-Gesandte Elisabeth Jones bereits gestern mit dem türkischen Ministerpräsidenten Bülent Ecevit und Außenminister Gürel zusammenkam, wird Asis sein offizielles Besuchsprogramm heute aufnehmen. Er soll eine persönliche Botschaft seines Präsidenten Saddam Hussein an den türkischen Staatspräsidenten Ahmet Necdet Sezer überbringen und anschließend ebenfalls mit Ecevit zusammentreffen.
Die türkische Regierung hatte bereits im Vorfeld der beiden verfeindeten Besuchergruppen ihre Position in dem Konflikt skizziert. In einem Interview mit dem Fernsehkanal CNN-Türk sagte Ecevit wörtlich: „Wir denken, dass militärische Aktionen gegen Bagdad überflüssig sind, weil es bereits eine De-facto-Kontrolle des Iraks von außen gibt.“ Jones, die im US-Außenministerium als Staatssekretärin für Europa und Eurasien verantwortlich ist, bekam in Ankara noch einmal in geballter Form die türkischen Vorbehalte gegen einen US-Angriff auf Saddam zu hören. Allein die Diskussion über einen Krieg, so ein Mitarbeiter des Ministerpräsidenten, sei für die krisengeschüttelte Wirtschaft in der Türkei extrem schädlich. Der hohe Ölpreis von über 30 Dollar pro Barrel behindere die Wirtschaftsreformen; dazu komme, dass ausländische Investoren sich zurückhalten, solange eine Kriegsgefahr besteht. Schon jetzt zeichne sich ein Rückgang bei den Buchungen für die nächste Touristensaison ab.
Die größten Sorgen macht man sich in Ankara aber über die Entwicklung in der kurdischen Frage. Ankara befürchtet, dass die irakischen Kurden allen gegenteiligen Beteuerungen zum Trotz als Ergebnis eines Krieges einen eigenen Staat anstreben, für den sie auch die Erdölregion um Kirkuk und Mossul beanspruchen. Sollten die Kurden dies versuchen, so Ecevit, wird die Türkei im Notfall auch militärisch intervenieren. Bereits jetzt sind türkische Truppen im Nordirak postiert, die schnell aufgestockt werden können.
Angesichts dieser Befürchtungen wird Ecevit heute Asis massiv drängen, ohne weitere Verzögerungen die UNO-Waffeninspekteure wieder ins Land zu lassen. Irak, so Ecevit, müsse der UN eine „weiße Weste“ präsentieren, um eine US-Intervention abzuwenden. In diesem Fall ist die Türkei trotz Vorbehalten gegen die Person Saddam Husseins zu einer Zusammenarbeit mit dem Nachbarland bereit. Wie die meisten arabischen Länder und der Iran, den der irakische Außenminister Sabri am Wochenende besuchte, hofft man in Ankara immer noch, die USA von einem Angriff abbringen zu können, wenn Saddam mit der UN kooperiert. Am Wochenende hatte Saddam Hussein einen amerikanisch-britischen Entwurf einer neuen verschärften UN-Resolution schroff zurückgewiesen, über den im Sicherheitsrat in dieser Woche verhandelt wird.
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