piwik no script img

Grüner Joschka & Minister Fischer

Ökosteuer und Öko-Edmund, Schill und Westerwelle, Terrorismus, Krieg und falsche Wege richtiger Freunde: Mit einem rhetorischen Feuerwerk auf dem Gänsemarkt sorgt der doppelte Joseph für den grünen Wahlkampfhöhepunkt in Hamburg

von PETER AHRENS und SVEN-MICHAEL VEIT

Einer reckt ein einsames „Nie wieder Krieg“-PDS-Plakat in die Höhe, und eine Einzige ruft noch „Kriegstreiber“. Das war‘s an Protesten. Joseph Fischer muss bei seinem Wahlkampf-Auftritt auf dem Gänsemarkt keinen Widerspruch fürchten. Mehr als 3000 sind gekommen, der Platz ist voll, der Beifall groß. Und der grüne Star, der Außenminister, bedient die Erwartungen. Er zieht während der Rede das Jackett aus, krempelt die Ärmel auf und spricht von der Ökosteuer, vom Nein zum Irakkrieg und vom Atomausstieg. Das wollen die Leute hören. Das ist ihr Joschka, der ihnen in der großen Politik so manches Mal abhanden gekommen zu sein schien.

Dresche für Westerwelle

Eine Stunde lang atemloses Tremolo, eine Stunde lang rhetorisches Feuerwerk gegen Stoiber, Schill und Westerwelle. Die FDP ist der grüne Hauptgegner. Es geht am Sonntag um Platz drei in der Parteienriege. Und der kann über die Koalitionspartnerschaft der SPD entscheiden. Also wird immer wieder auf den FDP-Chef eingedroschen, „diesen Kanzlerkandidaten, der in Kindergeburtstagsmanier mit dem Guidomobil durch die Gegend fährt“. Der Hinweis auf Westerwelles Dieselschlucker – „30 Liter, liebe Freundinnen und Freunde, drei-ßig Li-ter!!!“ – sorgt für einhelliges Buhen auf dem Platz, für abfälliges Gelächter sind seine Sarkasmen über „diese neuen, frischen Kräfte: Gerhardt! Brüderle! Und Möllemann!!“ allemal gut.

Und Edmund Stoiber, der Kandidat aus dem Süden, der „ein Deutschland mit ganzjährig weiß-blauem Himmel über dampfender Konjunktur und gesenkten Steuern verspricht“, der ist für Fischer nur der Mann, „der anderen und vor allem Frauen mit Kindern vorschreiben will, wie sie zu leben haben“. Der „oberste Prozesshansel der Republik“ sei er, der gegen das Gleichstellungsgesetz ebenso vor das Verfassungsgericht zog wie gegen den Länderfinanzausgleich „und immer unterlag“; er ist „der Edi“, den Umwelt und Klima nicht interessierten, bis die Flut die Elbe herunterkam: „Und dann sagt der, Umweltpolitik macht er zur Chefsache – das verstehe ich als Drohung.“

Mit dem Thema Zuwanderung „versucht die Union jetzt noch auf der Zielgeraden zur Schill-Partei zu mutieren“, stellt Fischer fest: „Immer, wenn die Rechten meinen, auf der Verliererstraße zu sein, gehen sie auf Minderheiten los – das darf es nicht mehr geben.“ Und da er in Hamburg ist, bürstet er selbstredend auch den Innensenator ab. Es sei „eine Schande, mit welcher infamen Hetze und Niedertracht“ Schill im Bundestag aufgetreten sei, „dieser Anti-Europäer“. Deutschland, sagt Fischer, „müssen die Erfahrungen Hamburgs erspart bleiben“.

Und weiter gehts im Dauerlauf durch die weite Welt der Politik. Der Förderung erneuerbarer Energien widmet er sich ausführlich, und sagt, dass die Atomkraft „eine nicht zu vertretende Energieform“ sei, er erwähnt Ganztagsschulen und das Gesetz zur geringfügigen Beschäftigung. Manchmal klingt die Rede so, als spreche hier ein zur Regierung drängender Oppositionsführer, über weite Strecken verschwindet der Minister Fischer hinter dem Wahlkämpfer Joschka. Erst zum Schluss seiner Rede kehrt er den Staatsmann heraus, als er über Terrorismus und über die Kriegsgefahr im Nahen Osten spricht.

Praxistest statt Krieg

Bei der Bekämpfung des Terrorismus „können wir uns nicht wegducken“, sagt der Minister, und „für Anti-Amerikanismus gibt es keinen Platz“. Am stärksten aber ist der Beifall, als der Minister in Richtung USA sagt: „Wir sind nicht bereit mitzumachen, wenn unser wichtigster Partner dabei ist, einen falschen Weg zu gehen.“ Das Angebot des Irak, Waffeninspekteure ins Land zu lassen, sei „nun der Praxistest“. Und wenn das Angebot ernst gemeint sei, „dann ist es gelungen, einen Krieg zu verhindern“, dann können „politische Lösungen“ gesucht werden, dann gebe es eine Chance auf eine „friedliche Nachbarschaft der Staaten Israel und Palästina“.

Eine Stunde lang spricht Joschka, der Minister, frei, ohne Manuskript, ohne Versprecher, nahezu druckreif. Und äußert „zum Schluss, Sie können sich schon denken, was“, nur einen Wunsch: Man gebe die Zweitstimme den Grünen, damit diese „stark sind in der nächsten Regierung“. Dann blieben Stoiber und Fischer, wo sie hingehörten: „Er in München und ich Außenminister.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen