: Factory an der Weser
Ausstellungen, Kooperationen, Heimkehrer: Das Künstlerhaus Am Deich feiert seinen 10. Geburtstag. Aus dem anfänglichen Leben im Potentiellen ist ein Modellprojekt der Künstlerförderung geworden
Nach der letzten Stufe, kurz vorm Dachstock, ist sogar der Boden frisch gestrichen. Etliche Stockwerke geht es hoch durch ein tadellos geweißeltes Treppenhaus, vorbei an sauber gestapelten Ausgaben der „Kunstzeitung“, vorbei an aufgeräumten Fluren und rustikalen Kleiderhaken-Leisten. Hinter den Türen sind die Ateliers, sorgfältig abgeschlossen jedes einzelne: Des Künstlers kreatives Himmelreich und Folterkammer ist Privatsache. Vor den Türen ist Ordnung. Vor zwölf Jahre stand noch in der taz zu lesen: „Bloß Staub und Provisorium. Stromkabelschlingpflanzen wachsen durch die Korridore. Hier hausen Künstlers im Potentiellen.“
Das Potentielle, das war damals die Idee, aus dem Haus am Deich eine Art factory an der Weser zu machen. Die Kunstszene hatte das Haus als Kompensationsgeschenk des damaligen Kultursenators Franke erhalten, nachdem dieser den Kunstplatz Teerhof größtenteils dem Bausenator überlassen hatte. Zwei Jahre lang ging es zäh voran mit der Renovierung, am Ende tummelten sich auf den 2.400 qm unterschiedlichste Nutzer, darunter der KünstlerInnenverband BBK, die Breminale, das Schnürschuh-Theater, das Fehrfeld Studio und eine nicht überlieferte Anzahl von Einzel-Kreativen aller Disziplinen. Durchgesetzt haben sich letztlich die bildenden Künstler: In 15 Ateliers arbeiten derzeit 22 KünstlerInnen, daneben gibt es Werkstätten für Druck und Holz und ein Studio für 3D-Animation. Der Bremer Verband Bildender Künstler (BBK) und der Künstlerinnenverband GEDOK haben sich im Künstlerhaus niedergelassen. Für die Musiker ist immerhin ein Tonstudio übriggeblieben.
Seit den Anfangstagen gilt: Die maximale Atelier-Verweildauer beträgt fünf Jahre, danach wird neu vergeben. Denn der Grundgedanken des Künstlerhauses ist der der Künstlerförderung, und das bedeutet in erster Linie, Arbeitsraum für geringe Mieten zur Verfügung zu stellen. Als das Künstlerhaus 1992 eröffnete, startete man bei 4 DM pro qm, mittlerweile liegt der Preis bei 3,25 €. Gefördert wird das Projekt durch den Kultursenator, der jährlich 75.000.- € Zuschuss für die Betriebskosten und die Miete der Immobilie Am Deich 68/69 bereitstellt. Eigentümer der Immobilie ist wiederum der städtische Eigenbetrieb Bremische Gesellschaft.
Die Atelierplätze im Künstlerhaus sind begehrt und nicht ohne Weiteres zu erhalten: Vorgeschaltet ist ein Auswahlverfahren, das von Eva Schmidt von der Galerie für aktuelle Kunst und von Hanne Zech vom Museum Neue Weserburg durchgeführt wird. Einschränkungen hinsichtlich Alter oder Wohnort gibt es nicht. Trotzdem sind im Künstlerhaus fast nur BremerInnen tätig, da die Ateliers selbst keinen Wohnraum beinhalten. Mit einer Ausnahme: Ein Gastatelier mit integriertem Wohnraum ist für Austauschprojekte reserviert, schafft die Verbindung nach draußen, zu den anderen Künstlern dieser Welt, die sonst im Allgemeinen nicht auf die Idee kommen, ihre Wirkungsstätte nach Bremen zu verlegen.
Jedoch: Manch einer, der einst in Bremen angefangen hat, kehrt anlässlich der Jubiläumsfeier zurück. Und sei‘s nur, um wie der Exil-Berliner Dieter Schmal eine öffentliche Schnaps-Destillier-Performance zu inszenieren.
Klaus Irler
Eröffnung: heute um 19 Uhr durch Kultursenator Kuno Böse. Am Samstag, 5.10., ab 21 Uhr: Künstlerhaus-Party. Öffnungszeiten der 14 Atelier-Ausstellungen der gerade aktiven und/oder ehemaligen Künstlerhaus-KünstlerInnen: Mi bis So, 15-18 Uhr. An jedem dieser Tage gibt es ein Zusatzprogramm, vom Künstlergespräch bis zur Sprachperformance. Parallel dazu: Ausstellungen in der Galerie Katrin Rabus (ab 10.10.), der Galerie Gruppe Grün und dem GaDeWe. Genaue Termine im taz-Veranstaltungskalender oder unter www.kuenstlerhausbremen.de
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