: Patente, Profite und Aids
Aidsaktivisten und NGO-Mitarbeiter bei einer Konferenz in Bad Boll: Teilerfolge und große Aufgaben. Dialog mit der Industrie nicht erwünscht – weil sie zu sehr von der Not der Infizierten profitiert. Experten unternehmen Rundreise durch Deutschland
aus Bad Boll LIA PETRIDIS
Promise heißt „versprechen“. Versprechungen hat die 28-jährige Südafrikanerin Promise Mtembu genug gehört. Besonders die großen Pharmakonzerne, denn diese profitieren bekanntlich von der humanitären Katastrophe Aids in ihrer Heimat. Jetzt handelt sie selbst. Mtembu ist seit acht Jahren HIV-positiv – und lebt. „Aber auch nur, weil ich nach London gezogen bin und die notwendigen Medikamente bekomme“, weiß sie. Millionen ihrer Landsleute geht es anders. „Für die kämpfe ich“, sagte sie am Wochenende auf einer Konferenz in der Evangelischen Akademie in Bad Boll. Geladen hatte die Buko Pharma-Kampagne.
Von der Konferenz erhofft sich Mtembu „Austausch mit Aktiven aus anderen Teilen der Welt. Kontakte.“ Auch sie nahm im Frühjahr 2001 den Kampf auf gegen 41 Pharmakonzerne, die ihr Heimatland Südafrika verklagten, weil es seinen Bewohnern den Zugang zu billigen Imitaten (Generika) patentgeschützter Aidsmedikamente ermöglichen will.
Dabei war außerdem die Bielefelder „Bundeskoordination-Pharma-Kampagne“. Das kleine Team von insgesamt sieben Leuten beteiligt sich an einer internationalen Aktion gegen die Arzneimittelhersteller. Im Vorfeld des Aidsgipfels in Durban geraten die Firmen dann so unter öffentlichen Druck, dass sie die Klage am 19. April 2001 zurückziehen. Solche Erfolge, die durch die Initiative HIV-Infizierter in Südafrika und vieler internationaler Organisationen erzielt werden, stimmt die Engagierten in Bad Boll enthusiastisch.
Zum Luftholen und Ausruhen bleibt jedoch kaum Zeit, denn die Virusbombe im subsaharischen Afrika tickt. 28,1 Millionen Menschen wurden hier im letzten Jahr HIV-positiv getestet. Was kann man von einer Konferenz erwarten, die zwei Tage andauert und deren Fokus sich auch auf viele andere Länder im Süden der Welt richtet? „Hier wird nicht das Ei des Kolumbus hervorgezaubert“, sagt Annelie Buntenbach (47), Bundestagsabgeordnete der Grünen. Die Konferenz könne nur Teil einer Entwicklung sein, die sich die Buko Pharma-Kampagne schon seit Jahren auf die Fahnen geschrieben habe (www.epo.de/bukopharma).
Es wird aufgeklärt über Patente, Zwangslizenzen, das gelungene staatliche Konzept in Brasilien oder aber in einem der sechs Workshops das Modell einer indischen NGO entwickelt. Die Informationen sind derart gebündelt, dass auch Profis schwitzen: „Ich bin 12 Jahre bei der Aidshilfe Stuttgart und habe so was noch nie erlebt“, stöhnt Rainer Seyboldt. Und Nichtprofis bisweilen Fragezeichen auf den Gesichtern tragen. So schmoren die Mitglieder von NGOs und Hilfsorganisationen bei der Konferenz zwei Tage lang im eigenen Saft. Was zählt, ist die Debatte um den altbekannten Nord-Süd-Konflikt, der Blick in den Osten Europas bleibt aus. Aber auch hier sind die Zuwächse an HIV-Infektionen und Aidserkrankungen enorm. Die Arbeit der Konferenz beschränkt sich auf das Vorantreiben der Vernetzung von Hilfsorganisationen und NGOs. Vertreter von Pharmakonzernen sind zur Diskussion nicht geladen, ihnen will man, so heißt es, „kein Forum bieten“.
Die Mitstreitern der Pharma-Kampagne kritisierten etwa Boehringer Ingelheim. Das Unternehmen klagte auch gegen Südafrika, gibt aber mittlerweile Nevirapine an HIV-positive Frauen ab, die Mütter werden. Das Medikament Nevirapine verringert die Wahrscheinlichkeit, dass das HI-Virus von der Mutter auf das Neugeborene übertragen wird. Laut Pharma-Kampagne müssten jährlich 1,9 Millionen Mütter mit diesem Medikament behandelt werden. Boehringer Ingelheim erwirtschaftete im letzten Jahr einen Umsatz von 6,7 Milliarden Euro und gibt 100.000 freie Dosen jährlich an Frauen in 100 armen Ländern ab.
Was bleibt? „Die Hoffnung, dass es schon bald auch wieder im Norden eine breite öffentliche Diskussion über HIV/Aids gibt. Dass etwas getan wird und nicht nur geredet“, sagt Promise Mtembu. Im Augenblick gibt es im Anschluss an die Konferenz noch eine Rundreise zweier ausländischer Experten. Sie besuchen verschiedene Städte, um dort konkret weitergehende Informations- und Lobbyarbeit zu betreiben: Universitäre Einrichtungen, wie das Difäm in Tübingen, die Tropeninstitute Heidelberg und Würzburg sollen ebenso besucht werden wie Eine-Welt-Initiativen, Netzwerke und gesundheitspolitische Gruppen.
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