: Sorge um das Herz der AWO
Mitarbeiter der Arbeiterwohlfahrt machen gegen beschlossene Ausgliederungen von Altenpflege und Psychiatrie mobil. Sie befürchten geringere Löhne und eine schlechtere Altersversorgung
In der Öffentlichkeit kämpft die Arbeiterwohlfahrt gegen den Sozialabbau, von ihren eigenen Mitarbeitern wird ihr selber soziale Kälte vorgeworfen: Fast 500 Mitarbeiter des Bremer AWO-Kreisverbandes sorgen sich um ihre künftige Entlohnung und Altersversorgung. Auf einer außerordentlichen Betriebsversammlung gestern Nachmittag in Huchting versuchte die Geschäftsleitung vergeblich, die Wogen zu glätten.
Die AWO gliedert bereits zum 1. November die Bereiche Sucht, Psychiatrie und geistig Behinderte aus ihrem Verband aus und führt die 200 Mitarbeiter in gemeinnützige GmbHs über. Zum 1. Januar 2003 soll dann auch die stationäre Altenpflege – mit etwa 350 Mitarbeitern das Herzstück des Wohlfahrtsverbandes – in die AWO ambulant gGmbH „outgesourct“ werden.
Dieser Vorstandsbeschluss von Anfang September bedeute für die betroffenen Beschäftigten eine „drastische Verschlechterung“, sagte der zweite Betriebsratsvorsitzende Arno Ostfeld: Durch die „Tarifflucht“ des Arbeitgebers bekämen sie „noch weniger Geld“ für ihre – im Wortlaut – „beschissene Arbeit“. Ostfeld beklagte eine „Ausbeutung nach kapitalistischer Art“ und warf den AWO-Chefs vor, ihre Informationspflichten verletzt zu haben. Bislang hätten sie dem Betriebsrat noch nicht einmal Informationen über das Ausmaß der Ausgliederungen zukommen lassen. „Malt das rote Herz schwarz, reißt Eure Leitsätze von der Wand und nennt Euch Meyer&Co“, forderten verbitterte Mitarbeiter ihre Vorgesetzten via Protestplakaten auf. Die Ausgliederungen seien wohl der „Betriebssport der Geschäftsleitung“.
Ver.di-Vertreter Uwe Schmid forderte die Anwesenden zum massenhaften Eintritt in die Dienstleistungsgewerkschaft auf. „Nur dann können wir auch etwas für Euch erreichen“, sagte Schmid. Er forderte die AWO-Geschäftsleitung zu Verhandlungen über einen Sozialplan und Überleitungstarifverträge auf.
Am Pranger stand gestern vor allem AWO-Geschäftsführer Burkhard Schiller, der die Entscheidung seines Vorstands rechtfertigen musste. Erklärte Strategie sei es nun einmal, alle „Wirtschaftsbetriebe“ als gemeinnützige GmbHs zu organisieren. Kindertagesheime, Begegnungsstätten und Jugendclubs würden dagegen weiter als eingetragene Vereine firmieren, versicherte Schiller. Damit die AWO zukunftsfähig bleibe und möglichst viele Arbeitsplätze gesichert würden, müsse „an allen möglichen Stellenschrauben gedreht werden, aber vor allem an den Kostenstrukturen“. „Ich bin heute nur derjenige, der die schlechten Nachrichten überbringt“, verteidigte sich Schiller. Hauptursache der Malaise sei die Pflegeversicherung, die die freien Wohlfahrtsverbände „auf den deregulierten Markt geworfen“ und ihnen privatgewerbliche Wettbewerber beschert habe.
AWO-Kreisvorsitzender Andreas Weichelt zog ebenfalls den Unmut der Beschäftigten auf sich. Weichelt räumte ein, dass die AWO-Strategie im Vorstand „heftig diskutiert“ worden sei. Letztlich sei man jedoch zu einem „ziemlichen Mehrheitsergebnis“ für die Ausgründungen gekommen. Nach seinem Kenntnisstand sei es bei früher vollzogenen AWO-Ausgliederungen „zu keinen grundlegenden Verschlechterungen bei den Mitarbeitern“ gekommen, flötete Weichelt unter dem Hohngelächter der Versammlung: „Ich verspreche Ihnen, dass wir zu einem guten Ende kommen.“ Markus Jox
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