: Perspektive mit Baumhaus
Die Proteste vom Sommer sollen weitergehen: Asta-Vertreter Björn Karisch (HAW), Bela Rogalla (HWP), Doris Wittek und Christian Schomann (Uni) im taz-Gespräch
Interview: KAIJA KUTTER
taz hamburg: Das Sommersemester war lebhaft. Gehen die Proteste weiter?
Christian Schomann: Das ist zu hoffen. Wir planen Demos und für den 5. November eine Vollversammlung.
Bela Rogalla: Wir brauchen ein Symbol für unseren Protest. Deshalb hat die Landes-Asten-Konferenz beschlossen, dass wir für einen Perspektivenwechsel in der Hochschulpolitik auf dem Campus ein „Baumhaus für die Bildung“ bauen.
Wogegen richten sich die Proteste in erster Linie?
Björn Karisch: Gegen die Hochschulräte. Dräger behauptet, er wolle die Autonomie der Hochschulen stärken, führt aber mit den Räten eine Struktur ein, die uns kaum Freiraum lässt.
Betrifft euch das überhaupt? Für Studierende sind doch nur gute Bedingungen wichtig.
Rogalla: Aber für gute Bedingungen wird gerade in den Studienreformausschüssen, in denen Studenten zu einem Drittel beteiligt sind, viel getan. Das soll jetzt abgeschafft werden.
Dräger sagt, dass an den Unis Entscheidungen zu lange dauern.
Karisch: Aber das ist Teil unserer Demokratie. Hochschulen haben auch die Aufgabe, das demokratische Denken zu fördern. Ohne Gremien, in denen wir mitwirken, lernen wir das nicht.
Doris Wittek: Der ganze Streit um das Gesetz berührt die Frage: Was ist Bildung? Uns ist wichtig, dass es an der Hochschule nicht nur um Ausbildung geht, also darum, die Facharbeiter heranzuziehen, die möglichst schnell dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, sondern darum, sich kritisch mit aktuellen Wissens- und Gesellschaftsfragen auseinander zu setzen.
Es gibt nicht wenig Studierende, denen das nicht gerecht wird. Die ihr Studium abbrechen.
Wittek: Das liegt aber nicht an der Selbstverwaltung. Das liegt an den Studienbedingungen.
Schomann: Die Qualität der Lehre lässt viel zu wünschen übrig. Aber dies verbessert man nicht, indem man die Mitspracherechte derer einschränkt, die Interesse an guter Bildung haben, nämlich der Studierenden.
Gibt es nützliche Reformteile? Die Verschulung zum Beispiel?
Rogalla: Ich denke, dass wir in der Tat über Bachelor und Master diskutieren müssen. Der Bachelor als berufszielorientierter Studiengang hat für viele Studierende einen Sinn. Aber wir müssen erreichen, dass der Zugang zum Master nicht eingeschränkt wird.
Schomann: Es ist bei BA/MA die Frage, wie man es macht. An der Uni gibt es das „Hamburger Modell“. Man entscheidet im Laufe des Studiums, ob man mit dem BA zufrieden ist oder bis zum Master weiterstudiert. Herr Dräger plant ein Modell, bei dem man sich dafür neu bewerben muss und nur wenige weiterstudieren dürfen. Das Modell ist auch gefährlich, weil nur das Erststudium gebührenfrei bleiben soll. Zur Verschulung: an der Uni geht es gerade darum, selbständig zu lernen und den roten Faden durchs Studium zu finden. Wer das nicht will, ist an der Uni vielleicht falsch.
Rogalla: Es gibt aber durchaus sinnvolle Reformen, die das Studium strukturieren. Wer keine Hausarbeiten für den Papierkorb produziert, sondern studienbegleitend sein Examen abschichtet, ist motivierter. Kombiniert man dies mit einem Teilzeitstudium, wie an der HWP, geraten die Studierenden auch zeitlich nicht unter Druck.
Was spricht dagegen, wenn jetzt die Strukturkommission die Hochschulen auf die Erfordernisse des Arbeitsmarkts hin überprüft? Jeder braucht Arbeit.
Schomann: Die Kommission ist einseitig zusammengesetzt. Da ist nur das ‚Who is who‘ der Wirtschaft vertreten.
Die wissen zumindest, was die Wirtschaft braucht.
Schomann: Aber es landen ja nicht alle in der Wirtschaft. Außerdem hat Bildung auch soziale, kulturelle und gesellschaftliche Funktionen.
Wittek: Der Blick auf den Arbeitsmarkt ist gerade für die Universität fehl am Platz. Es hat noch nie geklappt, viele Jahre im Voraus zu planen, welche Absolventen man braucht.
Rogalla: Eine Verzahnung von Theorie- und Praxis ist nicht verkehrt. Aber das heißt ja nicht, das wir uns von der Wirtschaft alles diktieren lassen. Gerade mit interdisziplinären Studienmöglichkeiten werden Disziplinen und Berufsroutinen kritisch hinterfragt. Bachelor muss nicht heißen, ein paar Handfertigkeiten zu erlernen, um sich artig in die Unternehmen einzufügen.
Wogegen protestiert ihr noch?
Rogalla: Wichtig ist vor allem, dass Hamburg seine differenzierten Studienmöglichkeiten erhält und keine Studienplätze abbaut. Den Widerstand gegen Studiengebühren werden wir mit den Gewerkschaften forcieren und in den Kontext allgemeinen Sozialabbaus stellen.
Wittek: Die Tatsache, dass bald 25 Prozent der Studierenden Langzeitgebühren zahlen müssen, weckt viele auf. In den Asta kommen ständig Leute, die verzweifelt sind, weil sie nicht wissen, wie sie das zahlen sollen.
Karisch: Gebühren sind ein Thema, das weitere Teile der Bevölkerung mobilisiert. Bei unserer großen Demo auf der Mönckebergstraße beteilgten sich spontan Passanten, weil sie gesagt haben: Moment mal, mein Kind soll auch mal studieren.
Wird der Protest wirken?
Rogalla: Herr Dräger ist ziemlich beratungsresistent.
Im neuen Referentenentwurf macht er Zugeständnisse.
Rogalla: Er hat häppchenweise Kompetenzen von den Hochschulräten auf die Präsidenten verlagert. Aber es hat bisher nicht ein einziges Zugeständnis gegenüber den Studierenden gegeben. Deshalb werden wir Asten Herrn Dräger weiter unter Druck setzen.
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