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Das Saxofon der Seelenmetzger

Metal, auf einen Beat pro halbe Stunde entschleunigt: Bohren und der Club of Gore spielen in der Volksbühne

Auf dem Bildschirm ist ein wabernder, feuchtschwarzer Bildsuppenmorast zu sehen, der tiefe Ängste beschwört: Hier möchte ich nicht begraben sein. So gestaltet sich der Videoclip zu dem Stück „Prowler“ von Bohren und der Club Of Gore, für den es in Oberhausen den MuVi-Award gab. Abgründig, beklemmend, so müssen die Bilder zu dieser Band aus Mühlheim an der Ruhr schon sein, schließlich erinnert ihre Musik an die Filmsprache von Großmeistern des Psychotischen und der Seelenmetzgerei, an David Lynch oder Abel Ferrara. Klischee, ick hör dir trapsen? Klar, aber volle Kanne, denn erst im Hantieren mit der wirklich unsubtilsten Assoziation einer Massenmörderfantasie läuft diese Band zur Höchstform auf.

Auf die Spitze getrieben wird das Ganze natürlich auf ihrer neuesten Platte. Allein der Titel: „Black Earth“. Das Cover ist schwarz, das Motiv ein Schädel. Tracktitel lauten „Midnight Black Earth“ oder „Maximum Black“. Jeder nicht mit dem Bohren-Kosmos vertraute, aber dennoch popsozialisierte Mensch muss denken, er habe es hier mit einer dieser seltsamen Blackmetalbands zu tun, bei denen der Sänger Norweger ist und der Bassist schon mal eine Kirche angezündet hat. Streng genommen liegt man damit gar nicht so falsch, Bohren und der Club Of Gore kommen tatsächlich aus der Metalecke, und ihre Platten werden in deren Hauptorgan Metal Hammer regelmäßig mit der Höchstnote versehen. Nur haben sich Bohren eben konsequent vom metaltypischen Grunzen und dem stupiden Abgreifen von Gitarrenriffs emanzipiert. Und zwar hin zu Sade und Barjazz, oder besser gesagt: Zu Sade, die in einer ungelüfteten Bar Jazz zu ihrem warmen Bier hört.

Dabei ist es nicht so, dass Bohren und der Club Of Gore irgendwann ein schlüssiges Konzept vorgelegt hätten, um den ganzen Bierenst der Doom- und Blackmetalszene mit Hilfe eines schluchzenden Saxofons und Entschleunigung auf ungefähr einen Beat pro halbe Stunde, mit Hilfe von Ironie und Überaffirmation zu brechen.

Der Weg hin zu „Black Earth“ war lang, wurde jedoch konsequent gegangen. So waren bereits in ihrem ersten Album „Gore Motel“ außer dem Saxofon bereits alle Anlagen vorhanden, die den Sound von Bohren heute auszeichnen. Nur sprach man damals noch davon, ihre Musik erinnere bei aller Düsterkeit ein wenig an den Geruch von Essen im Hausflur. „Dangerflirt mit der Schlägerbitch“ lauteten die Tracktitel, und „Gore Motel“ wurde in eine „Autoseite“ und eine „Messerseite“ unterteilt. Was Morten Gass von Bohren so erklärte: „Ich denke, wenn wir einen bestimmten Song spielen, auch manchmal an einen Mann, der nachts mit einem Messer durch den Wald läuft, und manchmal denke ich eben einfach an eine nächtliche Autofahrt.“

Der Essengeruch ist völlig verschwunden. „Black Earth“ klingt vielmehr majestätisch, nach mit Würde getragenen Anzügen, eher nach E. M. Cioran als nach H. P. Lovecraft. Und am beängstigendsten ist, wie gut diese Band inzwischen ist.

ANDREAS HARTMANN

Bohren und der Club Of Gore, Sonntag, 13.10., Volksbühne, ab 22 Uhr

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