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„Sie haben mein Ansehen gerettet“

Der nigerianische Schriftsteller Chinua Achebe erhält Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Er begann zu schreiben, weil er das Bild der Afrikaner in der weißen Literatur nicht mehr ertrug. Krieg gegen die Armut sei wichtiger als Krieg gegen den Irak

aus Frankfurt a. M. KOLJA MENSING

„Dadurch, dass Sie mich als Friedensstifter bezeichnen“, erklärte der frisch Ausgezeichnete, „haben Sie nichts Geringeres getan, als mein Ansehen zu retten. Sie haben im Angesicht derer, die einen Unruhestifter in mir sehen, meine höchsten Hoffnungen und Ziele gestärkt und bekräftigt.“ Mit diesen Worten nahm der nigerianische Schriftsteller Chinua Achebe am Samstag den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels entgegen. Der Preis ist mit 15.000 Euro dotiert, der Börsenverein des Buchhandels verleiht ihn Persönlichkeiten, die „zur Verwirklichung des Friedensgedankens beitragen“.

Der 71-jährige Achebe schilderte, warum er sich vor fünfzig Jahren entschlossen hatte, zu schreiben. In den Afrikaromanen von Joseph Conrad oder Ernest Hemingway seien die Bewohner seines Kontinents allein als „Wilde“ aufgetaucht: „Diese unmöglichen Figuren – hässlich, kaum als Menschen erkennbar – waren sie Vertreter der Menschen in meinem Dorf, der Leute, die ich kannte? Die Antwort musste ein eindeutiges Nein sein!“, sagte Achebe.

Die Kontroversen, die der nigerianische Schriftsteller mit seinen Angriffen auf die „weiße“ Afrikaliteratur ausgelöst hatte, sind längst beigelegt. In seiner Rede zur Preisverleihung in Frankfurt – die seit den Einlassungen des Preisträgers Martin Walser vor vier Jahren, Auschwitz eigne sich nicht dafür, Drohroutine oder Moralkeule zu werden, unter aufmerksamer Beobachtung steht – musste Achebe nicht mehr kämpfen. Er ließ seine Literatur für sich sprechen und las eine lange Stelle aus seinem 1958 veröffentlichten Debüt „Okonkwo oder Das Alte stürzt“ – einem Roman, der aus der Sicht des nigerianischen Volkes der Ibo die ersten Kontakte mit der britischen Kolonialmacht im 19. Jahrhundert beschreibt. Ein Kontinent hatte seine Stimme gefunden. Mit Achebe beginnt die afrikanische Gegenwartsliteratur: „Okonkwo oder Das Alte stürzt“ begründete den Weltruhm des Autors.

Chinualumogu Achebe, so der volle Name des Schriftstellers, arbeitete zunächst beim Rundfunk und leitete bis 1966 den Auslandsdienst „Voice of Nigeria“. Nach den Massakern an den Ibo, der Volksgruppe, der auch Achebe angehört, legte er dieses Amt nieder. Die von Ibos dominierte Ostprovinz Biafras erklärte sich für unabhängig, und Achebe ging während des nun folgenden Krieges als Sonderbotschafter seines Landes nach Europa und in die USA. Nach der Kapitulation Biafras lehrte Achebe unter anderem an der nigerianischen Universität Nsukka. Er veröffentlichte Essays, Kinderbüchern und Romane, in denen er sich mit der von Kolonialismus und Unabhängigkeit, Bürgerkrieg und Korruption geprägte Geschichte seines Landes auseinander setzte.

Seit einem Verkehrsunfall im Jahre 1990 ist Chinua Achebe auf einen Rollstuhl angewiesen – und lebt wegen der besseren medizinischen Versorgung in den USA. Am Vorabend der Preisverleihung äußerte der Friedenspreisträger Achebe sich auch zur amerikanischen Außenpolitik und dem drohenden Krieg gegen den Irak: „Es gibt andere Kriege in dieser Welt, die geführt werden müssen: der Krieg gegen Aids, der Krieg gegen die Armut – oder der Krieg gegen den Analphabetismus.“ Auf die Frage, ob er angesichts der aktuellen Spannungen zwischen dem islamischen Norden und dem christlich geprägten Süden Nigerias an eine friedliche Zukunft seines Landes glaube, antwortete Chinua Achebe mit einem kurzen Lächeln und einem schlichten: Ja. Er sei schließlich sein Leben lang Optimist gewesen.

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