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Ist ja gar kein Blut im Schuh

Fußbekleidung verhindert das Glück: Salazars „Piedras“ bei den Lesbisch Schwulen Filmtagen erzählt eine alternative Aschenputtelgeschichte

In Aschenputtel findet der Märchenprinz seine richtige Braut mit Hilfe des passenden Schuhs. Währenddessen scheint im heutigen Spanien die Suche nach dem perfekten Lover schwierig zu sein – folgt man Ramón Salazars Piedras (Steine), der heute von den Lesbisch Schwulen Filmtagen gezeigt wird. Fünf Frauen laufen in dem Film mit dem unterschiedlichsten Schuhwerk vor und hinter Männern her, doch kein einziges Modell verhilft zu einem märchenhaften Paarsein.

Mariacarmen hat sich an ihre alten Schlappen gewöhnt, Adele trotz riesiger Schuhsammlung nie das richtige Schuhwerk gefunden, Leires Liebhaber hat aufgehört, ihre perfekt beschuhten Füße zu zeichnen. Adela lernt das Geräusch von Tangoschritten lieben, aber findet ebenso wie ihre mit Turnschuhen ausgerüstete Tochter keinen passenden Partner für die gemeinsame Bewegung durchs Leben. Auch wenn ihre Schuhe allesamt die Füße nicht bluten lassen, rufen weder die Tauben von den Dächern noch führt ein Prinz sie heim. Eher müssen die Damen ihre Heimstätten verlassen und stehen samt Schuhwerk allein auf der Straße.

Ein Unglück wäre das inPiedras nicht, wenn die Frauen aufhören würden, an Geschichten à la Aschenputtel zu glauben. Denn besonders glücklich ist keins der dargestellten Paare: Entfremdung, Langeweile, Unverständnis, Abhängigkeit, Brutalität sind Formen des Miteinanderseins, die in Piedras eher beiläufig dargestellt werden.

Auch Familien sind kein guter Ort für Schuhwünsche, überhört Mariacarmen doch täglich das Bedürfnis nach passender Fuß(ball)-Bekleidung ihres Adoptivsohns. Eher ist der Weg ins märchenhafte Glück für nahezu alle ProtagonistInnen – abgesehen von einigen schwulen Randfiguren – trotz ihrer Schuhe versperrt. Eine Suche nach anderen Erzählungen wäre angebracht, wird aber als Erzählfaden bei Piedras nicht aufgenommen. So bleibt Piedras der Nachahmung verhaftet. Zwar ist das große Vorbild Almodóvar spürbar vorhanden, aber die Dekonstruktion des Alltäglichen gelingt nicht, weil dessen an Boshaftigkeit grenzende Geste der Übertreibung fehlt. Während Almodóvar sich nicht scheut, die mythischen Figuren der Gegenwart bis in den Exzess zu steigern – erinnert sei an seinen Aufmarsch zutiefst gütiger Frauen in Alles über meine Mutter – bleiben in Piedras die Figuren flach und die Handlung brav. Viel Schuhwerk, doch kein Fetisch. Doro Wiese

heute, 22.15 Uhr, Zeise

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