: Weniger Waggons, mehr Umzüge
Bahnwaggonbauer Bombardier streicht in Hennigsdorf 440 Stellen, das Berliner Werk zieht nach Brandenburg.240 Mitarbeitern sollen Arbeitsplätze in anderen Städten angeboten werden. Konzern spricht von Konzentration der Kräfte
von HANNO CHARISIUS
Der Stellenabbau beim Bahntechnikkonzern Bombardier fällt geringer aus, als der Betriebsrat noch am Wochenende befürchtete – vorerst. Die Streichung von 1.000 der 9.400 bundesweiten Stellen sei derzeit nicht geplant, sagt die Vertretung der Arbeitnehmer am Montag nach einem Treffen mit der Konzernspitze. Bestätigt hätten sich jedoch Pläne, im größten deutschen Werk in Hennigsdorf rund 440 von 2.450 Arbeitsplätzen zu streichen. Zudem soll das Fahrzeugausrüstungswerk (Faga) mit seinen 210 Beschäftigten von Berlin nach Hennigsdorf ziehen. Mit der Werksverlagerung und den Stellenstreichungen will der weltgrößte Waggonbauer Überkapazitäten an einzelnen Standorten abbauen. Eine Entlassung von 1.000 Mitarbeitern werde es „Gott sei Dank“ nicht geben, sagte ein Betriebsrat nach den Gesprächen mit dem Management. Die bisherigen Pläne seien aber „schlimm genug“.
Gestern Nachmittag wurde die Belegschaften über die Pläne informiert. Die Aufsichtsräte erörtern diese am 28. Oktober. Der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Karl-Heinz Graffenberger hatte noch am Freitag Streiks nicht ausgeschlossen.
Von den 440 vom Abbau betroffenen Hennigsdorfern sollen 240 Arbeit in anderen Werken angeboten werden, darunter 120 in Aachen, 100 in Görlitz und 20 in Kassel. Das Angebot werde flankiert mit Anreizen und Unterstützung beim Ortswechsel, erklärte Bombardier. Deutschland-Chef Peter Witt forderte von den Mitarbeitern „ein gutes Stück Mobilität und Flexibilität“. Für knapp 200 Beschäftigte würden sozial verträgliche Lösungen gesucht.
Bombardier hatte mehrfach angekündigt, wegen ausbleibender Aufträge der Deutschen Bahn für neue Nahverkehrszüge mehrere hundert Stellen zu streichen und Kapazitäten anzupassen. Der Präsident der Bahnsparte Bombardier Transportation, Pierre Lortie, hatte kürzlich bekräftigt, auch eine Freigabe der Bahnaufträge ändere nichts mehr an den Plänen. Vermutlich wird auch ein Millionenauftrag aus Mittelamerika die Streichungen nicht mehr abwenden. Wie Bombardier gestern mitteilte, wird der Konzern zusammen mit dem spanischen Bahnunternehmen CAF 405 U-Bahn-Wagen für Mexiko-Stadt bauen. Der Auftragsanteil von Bombardier liege bei rund 323 Millionen Euro. Die Vereinbarung trete nach Eintreffen der Auftragsbestätigung in den nächsten Wochen in Kraft. Die Lieferung solle im Herbst 2004 beginnen.
Bombardier Transportation betreibt in Deutschland elf Standorte. 2001 übernahm der Konzern den Konkurrenten Adtranz in Hennigsdorf von DaimlerChrysler und damit wirtschaftliche Altlasten, die bis heute nicht abgebaut werden konnten. Kurz nach dem Deal kündigte Bombardier eine Schadenersatzklage von etwa einer Milliarde Euro gegen den alten Adtranz-Eigner an, wegen „erheblicher Diskrepanzen“ zwischen vereinbarten und tatsächlichen Vermögenswerten. Die internationale Handelskammer soll über den Fall entscheiden.
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