: „Die Kampfansage machen die anderen“
Der PDS-Abgeordnete aus Marzahn, Wolfgang Brauer, glaubt nicht, dass die Berliner Delegierten in Gera tatsächlich die Hauptstadt-PDS repräsentiert haben. Deswegen seien die Parteitagsbeschlüsse auch kein Anlass zu Trauer
taz: Herr Brauer, haben Sie nach dem Parteitag in Gera eine Flasche Rotkäppchen geköpft?
Wolfgang Brauer: Ich musste Auto fahren.
Warum so sachlich. Immerhin hat der Sozialismus in Deutschland wieder einen Namen: Gabi Zimmer
Gera war kein Anlass für triumphale Siegesfeiern, aber es war auch kein Anlass für herbe Trauerbekundungen. Im Übrigen war Gera keine Abstimmung über eine Richtungsentscheidung. Ich denke eher, dass mit der Wiederwahl von Frau Zimmer eine Persönlichkeit gewählt wurde, die in der Lage sein kann, die sehr divergierenden Richtungen und Tendenzen in der Partei zu bündeln.
Unter den Berliner Delegierten gehörten Sie zu einer Minderheit, in der Gesamtpartei gehören Sie nun zu den Siegern.
Ja, das ist wirklich eine spannende Konstellation. Wobei ich aber eines sagen muss: Nach meinen Erfahrungen im Berliner Landesverband glaube ich nicht, dass die so genannte Mehrheit der Berliner Delegierten auch tatsächlich die Berliner PDS repräsentiert.
Das klingt nach einer Kampfansage.
Die Kampfansage mache ich nicht. Die Kampfansage hat diese so genannte Mehrheit zelebriert, indem sie sich auf eine Kleinkindweise bockig der Auseinandersetzung um die Beschlüsse des Parteitags verweigert hat. Das war ein Benehmen, als ob man einem kleinen Jungen im Buddelkasten die Buddelschippe wegnimmt. Das ist nicht bloß unkultiviert, das ist in hohem Grade peinlich. Das lässt nichts Gutes hoffen.
Wann wird die Frage nach dem Ausstieg aus der Koalition in Berlin gestellt werden?
Vorläufig nicht? Warum?
Gabi Zimmer hat in ihrem Antrag die Berliner Regierungsbeteiligung angegriffen.
Gabi Zimmer hat nicht die rot-rote Koalition angegriffen. Sie hat den Politikstil, den diese Koalition pflegt, angegriffen.
Sie hat auch die Risikoabschirmung für die Bankgesellschaft kritisiert. Bereuen Sie inzwischen, dass Sie da zugestimmt haben?
Ich bin stark im Zweifel, ob das richtig war, das stimmt.
Warum?
Weil ich im Gegensatz zu Herrn Wolf der Meinung bin, dass die Prüfung von Alternativen zu dem, was wir da beschlossen haben, nicht gründlich genug war. Zumindest ist sie aus den kleinen Zirkeln nach außen hin nicht genug kommuniziert worden. Stattdessen befand sich das Abgeordnetenhaus, und damit auch unsere Fraktion, in einer Erpressungssituation. Das macht das Ganze etwas anrüchig. Selbst wenn es nicht anders gegangen wäre, ist es ja so: Wir stimmen der Risikoabschirmung zu und begehen dann peu à peu eine Grausamkeit nach der anderen.
Wie wird denn mehr PDS in der Koalition künftig fühlbar sein?
Das wird an vielen Detailfragen hängen. PDS muss erfahrbar werden, oder das nächste Abwatschen wird noch dramatischer werden. Erfahrbar in den Fragen, die wir selbst als Prioritäten gesetzt haben. Natürlich Bildung, Wissenschaft und Kultur. Das ist aber auch das komplizierte Feld der Sozialpolitik.
Das Signal von Gera heißt „Back to the roots“. Schließen sie das für Berlin aus?
Nein, das schließe ich nicht aus. Ich denke, die PDS muss sich stärker auch auf ihre sozialen Wurzeln besinnen. Die PDS hat nur dann eine Existenzberechtigung, wenn sie ihren Anspruch, die Hände über den sozial Schwachen in dieser Gesellschaft zu halten, auch realisiert.
INTERVIEW: UWE RADA
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