Die Wut einer Hausfrau

„Ich war wie im Nebel“: Weil er ihr Geld schuldete und ein Verhältnis mit ihrer Tochter hatte, erschoss Melek B. ihren Schwager im Friseurladen. Seit gestern steht sie unter Mordanklage vor dem Landgericht. Erklären kann sie sich die Tat nicht mehr

von ELKE SPANNER

Typ: Hausfrau. Flanellhose, Strickweste. Ein scheinbar kaltblütig geplanter Mord, eine Hinrichtung regelrecht, begangen von einer grauhaarigen Frau mit sorgenvollem Gesicht und ordentlich aus dem Gesicht gekämmtem Haar. Der das Sprechen vor Gericht schwer fällt, die immer wieder auf Deutsch ansetzt und dann doch zurückfällt ins Türkische, vor Nervosität. Die ganz leise spricht und dadurch schwach wirkt, trotz der etwas fülligen Figur. Die dreifache Mutter ist und Friseurin, und eines Tages loszog mit einer Pistole in der Handtasche und ihren Schwager tötete, ein gezielter Schuss und er war tot. Heimtückischer Mord, sagt die Anklage. Lebenslange Haft, sagt dazu das Strafgesetzbuch. Die Angeklagte sagt, sie habe wie im Nebel gehandelt, und es tue ihr Leid. Seit gestern verhandelt das Landgericht über den Fall.

Es ist der 12. April dieses Jahres, als mit Melek B. ihrer Aussage zufolge etwas durchging, was sie selbst nicht mehr verstehen kann. Da war viel Wut auf ihren Schwager Yilmaz B., weil dieser ihr Geld schuldete und einfach nicht bezahlen wollte. Sie hatte sich mit 25.000 Euro in seinen Friseursalon eingekauft, und als der schlecht lief, ließ der Bruder ihres Mannes sie mit ihren Geldsorgen allein. Und da war Verzweiflung, weil er mit ihrer Tochter ein Verhältnis hatte und so etwas für sie „unmöglich“ ist, ruft sie unter Tränen aus, „wie kann man nur so etwas machen“. Dann trifft sie ihre Tochter im Friseurgeschäft des Schwagers an, sieht mit eigenen Augen die Beziehung, die sie nicht billigen kann und will, und schießt. „Sie war sehr ruhig“, berichtet ein Student, der beim Bezahlen seines Haarschnittes Augenzeuge der Tat geworden war. Drei Schüsse habe er gehört, dann habe jemand Melek B. entwaffnet und festgehalten.

Die Angeklagte sagt, „ich stand in dem Moment neben mir. Ich sah, wie ich die Handtasche öffnete und die Pistole he- rausnahm. Ich sah, wie ich schoss.“ Wieso sie die Pistole bei sich trug? „Ich weiß es nicht.“

Melek B. sagt, es sei eine „Kurzschlusshandlung“ gewesen. Juristisch gibt es eine Tat „aus Affekt“, die weniger hart bestraft wird als ein vorsätzlich geplantes und durchgeführtes Delikt. Das Gericht aber macht keinen Hehl aus seinen Zweifeln, ob Melek B. diese Version zu glauben ist. Denn unerklärt bleibt am ersten Verhandlungstag, wieso sie an jenem Tag überhaupt zu dem verhassten Schwager in dessen Salon gefahren war. Wieso sie die Pistole bei sich trug, die das Opfer ihr selbst Jahre zuvor zum Aufbewahren gegeben hatte, woher sie diese bedienen konnte.

Sie bereue, was sie getan hat, sagt Melek B. Dass sie Leben zerstört habe. Das ihres Schwagers. Aber auch ihr eigenes. In Handschellen wird die 47-Jährige aus dem Gerichtssaal zurück ins Untersuchungsgefängnis abgeführt.

Der Prozess wird morgen fortgesetzt.