Debatte über mögliche Koalition: Grünes Licht für linke Pläne
Grün-Tiefrot in Berlin - warum eigentlich nicht? Parlamentarier beider Parteien sehen den Vorschlag des linken Bundestagsabgeordneten Stefan Liebich positiv.
Grün-Rot in Berlin, mit der Linkspartei statt der SPD? Dieser überraschende Vorschlag des Pankower Linken-Bundestagsabgeordneter Stefan Liebich in einem taz-Interview wurde am Mittwoch in Abgeordnetenhauskreisen eifrig diskutiert – und fand Sympathisanten.
Ein Landesbündnis von Grünen und Linken wäre bundesweit eine Premiere – rechnerisch möglich ist sie derzeit freilich nicht. Zwar liegen die Grünen in einem Umfragehoch von 22 Prozent, die Linke aber dümpelt bei 12 Prozent herum. Liebich glaubt an ein größeres Wählerpotenzial beider Parteien, die in einer Koalition das „liberale, weltoffene“ Spektrum der Stadt abbilden könnten.
Bei den Grünen gibt man sich skeptisch. Einig ist man sich über die „desolate“ Situation der SPD, die mit kriselnden Großprojekten und der Wowereit-Nachfolge kämpft. „Im Versinken“ befänden sich die Sozialdemokraten, so Grünen-Fraktionschefin Ramona Pop. Eine „Pause“ täte der Partei gut. Die Linke aber sei derzeit „eine absolute Oppositionsfraktion, die sich noch von ihrer Regierungszeit erholt“. Mit wem sie regieren wolle, ließ Pop offen. Die Frage stelle sich vier Jahre vor der nächsten Wahl nicht.
Grünen-Landeschef Daniel Wesener zeigte sich aufgeschlossener. Er lobte Grün-Links als ein „interessantes Modell“, inhaltlich sei es neben Rot-Grün am naheliegendsten: „Das sehe ich eher als etwa mit der CDU.“ Wesener verwies auf Bürgerrechtsthemen oder das Energie-Volksbegehren, das die beiden Parteien unterstützten. Allerdings, so der Grünen-Vorsitzende, fühle sich die Linke in der Oppositionsrolle offensichtlich ganz wohl.
In der Linkspartei selbst wird Liebichs Vorschlag begrüßt. Die rot-schwarze Koalition regiere „katastrophal“, sagte Linken-Landeschef Klaus Lederer. Die Alternative dürfe aber keine machtpolitische sein, sondern „ein gemeinsames Projekt, das die Leute begeistert“. Für Grün-Links könnte das ein „sozialökologischer Stadtumbau“ sein.
Lederer sieht aber auch Hürden. Bei Hartz IV, der S-Bahn-Ausschreibung oder dem Stellenabbau im öffentlichen Dienst lägen Grüne und Linken auseinander. Auch Linken-Fraktionsgeschäftsführer Uwe Doering gesteht ein Konkurrenzdenken zwischen beiden Parteien in der Vergangenheit ein. So erarbeiteten Grüne und Linke parallele Entwürfe für ein Transparenzgesetz statt einen gemeinsamen. Auch beim „Masterplan sexuelle Vielfalt“ kam man nicht zusammen. Doering betont aber eine verbesserte Kooperation und „viele Überschneidungen“ mit den Grünen. „Es ist nicht verkehrt auch Optionen zu diskutieren, an die noch keiner denkt.“
Die SPD tut den Linken-Vorstoß erwartungsgemäß ab. „Das ist nur ein Versuch, wieder Gehör zu finden“, befindet Vize-Landeschefin Barbara Loth. Weder fände Grün-Links eine Mehrheit, noch repräsentiere es die Stadt – würden doch die Grünen fast nur im Westen, die Linken nur im Osten gewählt. Auch bliebe mit einem solchen Bündnis die soziale Gerechtigkeit auf der Strecke, so Loth. „Weil beide viel versprechen, ohne das mit konkreten Projekten oder Geldern zu unterfüttern.“
Das Problem der fehlenden Stimmenmehrheit könnte ein Parlamentsneuling lösen: die Piraten. Deren Fraktionschef Christopher Lauer nennt ein grün-tiefrot-oranges Bündnis eine „sinnvolle Machtoption“. „Wir drei könnten uns gut ergänzen.“ Die Piraten stünden fürs Digitale, die Linken fürs Soziale, die Grünen für die Ökologie. Bei vielen Themen herrsche schon heute Einigkeit. Aber sind die Piraten schon bereit fürs Regieren? „Wir müssen es sein“, sagt Lauer. „Wir wollen ja nicht nur nett im Parlament sitzen, sondern etwas verändern.“
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