Hochzeit in der „Coronation Street“

Die Fusion der britischen TV-Unternehmen Carlton und Granada schafft einen der größten Medienkonzerne des Kontinents. Der Fernsehgigant wird auch außerhalb der Insel von sich reden machen. In Deutschland zum Beispiel

Für Großbritannien war es nur der lang erwartete Zusammenschluss zweier privater Fernsehveranstalter. Für den europäischen TV-Markt dagegen manifestierte sich gestern die Geburt eines ernst zu nehmenden internationalen Wettbewerbers: Carlton Communications und Granada Media machen ab sofort gemeinsame Sache.

Bislang sendeten sie getrennt: Granada versorgte den Norden und Osten Englands mit Programm, Carlton den Süden, Westen und Wales. Nach dem Zusammenschluss sind jetzt nur noch Schottland und Nordirland von „Granarlton“ (Guardian) unabhängig. Auch die Sonderregelung für die Hauptstadt ist Geschichte: Um die Dominanz eines Unternehmens zu verhindern, war die TV-Lizenz für London in eine werktägliche (Carlton) und eine fürs Wochenende (Granada) gesplittet. Beide Unternehmen gehören zu den 50 größten Medienkonzernen der Welt, ihr kombinierter Jahresumsatz 2001 lag trotz internationaler Werbeflaute bei 5,2 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Die zu Bertelsmann gehörende RTL-Group kommt auf gerade mal 2,1 Milliarden Euro.

Granada und Carlton stehen für britische Fernsehklassiker wie „Inspector Morse“ und „Coronation Street“, die Mutter aller TV-Soaps. Ihnen gehören Kabelsender wie ITV 2, ihre Produktionsfirmen beliefern nicht nur die eigenen Kanäle, sondern auch die der Konkurrenz.

Ganz ohne Auflagen wird der größte Zusammenschluss der britischen TV-Geschichte aber nicht durchgehen. Rechnerisch streichen sich beide Unternehmen 55 Prozent der gesamten TV-Werbung im terrestrischen, über die klassische Antenne empfangbaren Fernsehen ein. Erlaubt sind aber maximal 50 Prozent, um den Wettbewerb im Anzeigenmarkt nicht auszuhebeln. Entsprechend heftig reagierten gestern die anderen werbefinanzierten terrestrischen Sender: Channel 5, Teil der RTL-Group, und Channel 4 nannten den Zusammenschluss schlicht „unfair“. Sie wollen nun ihre gemeinsame Lobbyarbeit mit Rupert Murdochs Pay-TV-Plattform BSkyB gegen den Deal verstärken. Die zuständige Aufsichtsbehörde ITC hält sich bisher mit jedem Kommentar zurück.

Vor allem Channel 4 befürchtet eine weitere Verzerrung des Marktes – der für innovatives, ungewöhnliches Fernsehen stehende Kanal dürfte tatsächlich einer der größten Verlierer der Neuaufteilung sein: Er finanziert sich über Werbung, muss aber laut Lizenzauflagen ein kreatives Programm anbieten, das auch die Interessen von Minderheiten berücksichtigt. Die Konsequenz: Nach britischen Medienberichten stehen jetzt rund 200 der insgesamt 1.000 Jobs bei Channel 4 auf dem Spiel. Auch bei „Granarlton“ selbst gehen hunderte Arbeitsplätze verloren – auf rund 90 Millionen Euro beziffern Carlton und Granada die erhofften Einsparungen.

Doch die Folgen des Zusammenschlusses wird man nicht nur in Großbritannien spüren. Um weiter zu wachsen, muss das neue Unternehmen Kurs auf andere europäische Länder nehmen. Und was läge näher als der nach den USA zweitgrößte TV-Markt der Welt? In Berlin existiert jedenfalls schon seit zwei Jahren eine GmbH namens „Granada Produktion für Film und Fernsehen“. STEFFEN GRIMBERG